Jedem eine Kunstpistole

11.6. – 17.9.2023 I Kunststation Kleinsassen

Andreas Amrhein, King, 2008

Die Kunststation Kleinsassen lässt die documenta fifteen nachklingen

Als sei nicht alles miteinander verwoben und verbunden: So starke Worte wie “Entkunstung”, “Zensur” und “Antisemitismus” begleiteten die vergangene documenta 15 in Kassel. Die berühmte Schau, die, kuratiert von der Künstlergruppe Ruangrupa, 1.500 Künstler präsentierte, wurde zum Politikum. Freilich nicht das erste Mal in ihrer Geschichte, aber doch von einer Heftigkeit, wie es Betrachter seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt haben. Politische Positionen und ästhetischer Wert der gezeigten Kunst wurden diskutiert, schließlich ein Gemälde sogar abgehängt. Kunst als interkulturelle Begegnung konfrontiert den Betrachter mitunter mit politischer Meinungsbildung, Zerrbildern, Machtgefälle und Kulturgeschichte wie auch nicht zuletzt mit Ästhetik in einer Grundsatzdebatte gleichermaßen. Dass diese auch fruchtbar sein kann für eine Auseinandersetzung mit künstlerischer Freiheit, das will in diesem Sommer die Kunststation Kleinsassen zeigen: Im Nachklang zur documenta fifteen initiiert die Kunststation das Ausstellungsprojekt “Make Friends AND ART”. Dabei versteht sich die 1979 gegründete Einrichtung selbst als Raum für interkulturelle Begegnung künstlerisch Schaffender. 32 Künstler*innen zeigen hier ihre Positionierung im Koordinatensystem zeitgenössischer Kunst- und Meinungsbildung. Allen voran Jonathan Meese, der die kulturelle Aneignung zum künstlerischen Mittel erklärt und seine Kunstpistole für die Schau schon mal mit den deutschtümelnden Begriffen wie “Totalste Freiheit”, “Führung” und “Waldeinsamkeit” lädt.

Dass kulturelle Einflüsse ohnehin nie solitär für sich stehen, sondern auch immer in künstlerischen Neuschöpfungen wiedererscheinen, das zeigen des Weiteren in der Schau die Bilder der Nürnberger Künstlerin Katja Wunderling, deren Begegnung mit den Punktbildern der Aborigines in ihrer Formsprache erkennbar Ausdruck findet. Um eine abstrahierte Vermittlung der sprachlichen Kommunikation geht es wiederum dem in Bonn lebenden Künstler Babak Saed, der aus Buchstaben- und Wortkomposita neue Codes generiert. Die in Berlin lebende Künstlerin Nele Probst ihrerseits setzt sich mit der Musikszene und ihren Stereotypen skulptural auseinander: “Lovewagen” erzählt von der Rolle des Frontmanns, der im Afrolook, ursprünglich ein Zeichen der Unangepasstheit gegenüber der weißen Mehrheitsbevölkerung, die Massen zum Tanzen bewegt. Einen sprichwörtlichen Spiegel hält hingegen Udo Breitenbach in seinem Objekt mit dem Titel “Sich selbst im Andern sehen!” vor. Im Objekt “Mensch ärgere dich nicht!” zeigt der Künstler auf, dass Andersartigkeit dazu einladen kann, sich auch in schwierigen Situationen spielerisch und friedlich miteinander auseinanderzusetzen. Dass diese menschlichen Interaktionen auf gegenseitigen Konstrukten vom Gegenüber beruhen und Denkweisen wie Gefühle aufeinander reagieren lassen, drückt der Künstler formal im Leporello aus, der wortwörtlich verschiedene Haltungen zulässt.

Die Journalistin Karolina Wrobel ist sowohl in der Hochkultur, als auch in der Berliner Lokalszene zu Hause.

Make Friends AND Art
11.6. – 17.9.2023
Kunststation Kleinsassen
An der Milseburg 2
D-36145 Hofbieber-Kleinsassen
Tel.: +49-6657-8002
Di – So 13 – 18 Uhr
Eintritt frei ?????
www.kunststation-kleinsassen.de

Text: Karolina Wrobel
Bild: Kunststation Kleinsassen
Erstveröffentlichung in kunst:art 92