Gregor Schneider erhält den Ernst Franz Vogelmann-Preis für Skulptur
Gregor Schneider, 1969 in Rheydt geboren, transformiert Räume, er greift auf architektonische Elemente und Strukturen zurück, verdoppelt sie, spiegelt sie, lässt sie verschwinden oder macht sie durch seine Eingriffe erst sichtbar. Der Künstler spielt mit den ureigensten Ängsten vor Verlust und Isolation sowie Vergänglichkeit. Eines seiner bekanntesten Werke „Totes Haus u r“ wurde auf der Biennale in Venedig 2001 mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet. Somit ist der Bildhauer ein würdiger Preisträger des alle drei Jahre in Heilbronn vergebenen Ernst Franz Vogelmann-Preises für Skulptur. Mit der mit 30.000 Euro dotierten Auszeichnung ist eine Ausstellung verbunden, die eigens für die Kunsthalle Vogelmann Heilbronn konzipiert wurde. „Wohl kein anderer Künstler transformiert architektonische Räume so radikal um und thematisiert dabei die Geschichte des Vorgefundenen“, so die Jury in ihrer Entscheidung. „Er schaut hinter die Fassade der Dinge und definiert nebenbei die Begriffe Bildhauerei und Installation neu indem er Raum als ureigenes bildhauerische Material begreift und verwendet“. Indem Gregor Schneider Raum als begehbare Skulptur definiert und dem unser Bewusstsein prägenden Potenzial von Räumen nachspürt, hat er die Begriffe Bildhauerei und Installation wesentlich erweitert. „Haus u r / Totes Haus u r“ ist eine bahnbrechende Installation, die Gregor Schneider weltweit bekannt gemacht hat. Das „Haus u r“ (u für Unterheydener Straße und r für Rheydt) wird bei jeder Transplantation seiner Teile in ein Ausstellungshaus zum „Toten Haus u r“, da es nach dem Aufbau zum Stillstand kommt. In diesem Projekt verwandelt er ein echtes Haus in ein Labyrinth aus geheimen Räumen und Korridoren. Der Besucher wird durch die begrenzten Zugangsmöglichkeiten des Hauses in einen Zustand der Desorientierung und Verwirrung versetzt. Schneider spielt mit der Konzeption von Privatsphäre und Isolation, indem er den Raum in eine beklemmende Umgebung verwandelt, die den Betrachter mit ungelösten Fragen zurücklässt.
Eine weitere bemerkenswerte Arbeit von Gregor Schneider ist „Die Familie Schneider.“ Hier konstruiert er ein fiktives Familiendrama, bei dem der Künstler selbst verschiedene Mitglieder einer imaginären Familie verkörpert. Durch die Schaffung von realistischen Räumen und Inszenierungen erforscht Schneider die Dynamiken von Identität, Beziehungen und häuslichem Leben. Dieses Projekt zwingt den Betrachter, über die Rollen, die wir in der Gesellschaft einnehmen, und die Art und Weise, wie wir unsere Identität konstruieren, nachzudenken.
In „Cube Hamburg“ setzt Schneider seine Untersuchungen von Raum und Privatsphäre fort. Diese Installation regt zum Nachdenken über die Wahrnehmung von Privatsphäre im öffentlichen Raum an und stellt die Konventionen und Erwartungen infrage, die damit verbunden sind. In „Weiße Folter“ geht Schneider noch weiter und schafft eine beklemmende Umgebung, die an Verhörräume erinnert. Die künstlerische Strategie der Verdoppelung, welche Gregor Schneiders Œuvre durchzieht, findet hier ihre Anwendung.
Im Projekt „Sterberaum“ schafft Schneider eine Atmosphäre der Kontemplation, die den Betrachter dazu ermutigt, über seine eigene Sterblichkeit nachzudenken und eine neue Perspektive auf das Leben zu gewinnen.
Stefan Simon weiß als Kunsthistoriker, dass es immer auch auf die Perspektive ankommt
Gregor Schneider
15.7. – 29.10.2023
Kunsthalle Vogelmann
Allee 28
D-74072 Heilbronn
Tel.: +49-7131-564420
Di – So 11 – 17 Uhr, Do 11 – 19 Uhr
Eintritt: 8 €, erm. 5 €
museen.heilbronn.de
Text: Stefan Simon
Bild: Kunsthalle Vogelmann
Erstveröffentlichung in kunst:art 92