Jubiläumsschauen für Caspar David Friedrich in Hamburg und Greifswald
Anlässlich seines 250. Geburtstages streuen die Museen ein wahres Füllhorn von prächtigen Ausstellungen über das voraussichtlich begeisterte Publikum aus: Keine Frage, Caspar David Friedrich (1773–1840) ist schwer angesagt. Natürlich dürfen die Hamburger Kunsthalle, die zentrale Werke besitzt, und das Landesmuseum im Pommerschen Greifswald, wo der Künstler geboren wurde, in diesem Reigen nicht fehlen. Angesichts der heutigen Beliebtheit des Künstlers ist es fast erstaunlich, dass diese so recht erst im 20. Jahrhundert einsetzt: Sein Werk erschien den Nachgeborenen als Vorahnung moderner Befindlichkeiten.
„Kunst für eine neue Zeit“ in Hamburg bietet die seit Langem umfangreichste Schau des Werks des bedeutendsten deutschen Romantikers. Damals, um 1800, ist bei den Zeitgenossen ein Gefühl der Epochenwende verbreitet, die alte Ordnung ist zerfallen, gesellschaftliche Bindungen lösen sich auf, die Welt der Moderne beginnt. Ungeahnte Freiheit – und ungeahnte Unsicherheit. Ein neues Verhältnis von Mensch und Natur wird zum Kernthema der Romantik – die Landschaft, einst untergeordnete Gattung, rückt plötzlich ins Zentrum der Malerei. Caspar David Friedrich setzt innovative Akzente, wenn er quasi synthetisch erstellte Landschaften – eine Baumgruppe von hier, eine Berglinie von dort – zu metaphysischer Aufladung verdichtet. Zeitgenössische Betrachter damals waren nicht selten verstört, langfristig aber waren es sicherlich wesentliche Impulse, die tatsächlich die Landschaft – und die Rolle des Menschen in ihr (und in der Welt überhaupt) – nachhaltig neu sehen ließen. Und im Zeitalter des Klimawandels wächst Friedrichs Werken ungeahnte Aktualität zu.
Glanzstücke in der Hamburger Kunsthalle sind Gemälde wie der „Mönch am Meer“, die „Zwei Männer in Betrachtung des Mondes“, der „Watzmann“ – dies alles Leihgaben – und aus der Sammlung selbst das fantastische „Eismeer“. Bei einem anderen Werk dieses Kalibers jedoch schlagen die Ausstellungsmacher um Markus Bertsch, den Leiter der Sammlung 19. Jahrhundert, einen überraschenden Bogen und gesellen Friedrichs heroisch-einsamer Rückenfigur des „Wanderers über dem Nebelmeer“ (1817) ein modernes Werk bei: Kehinde Wileys „Prelude (Babacar Mané)“ (2021). Der Afro-Amerikaner öffnet aktuelle crosskulturelle Perspektiven, wenn er an die Stelle der Figur in der sogenannten deutschen Tracht der Epoche der antinapoleonischen Befreiungskriege in ähnlicher Pose plötzlich den senegalesischen Tänzer stellt. Rund zwanzig weitere zeitgenössische Positionen belegen das ungebrochene Interesse heutiger Künstler an Friedrichs Werk.
Die Schau im Pommerschen Landesmuseum kreist um ein kaum weniger berühmtes Gemälde, die „Wiesen bei Greifswald“. Zeichnerische Vorarbeiten lassen bei diesem verklärenden Blick auf die Heimat – wie eine Erscheinung schwebt die Stadt über dem Horizont – die Werkgenese nachvollziehen. Stadtansichten von Zeitgenossen machen die Besonderheit von Friedrichs Blick umso deutlicher.
Dieter Begemann ist Künstler und Kunstwissenschaftler, der Architektur, Design, Autos und Italien liebt!
Caspar David Friedrich. Kunst für eine neue Zeit
15.12.2023 – 1.4.2024
Hamburger Kunsthalle
Glockengießerwall 5
D-20095 Hamburg
Tel.: +49-40-428131200
Di – So 10 – 18 Uhr, Do 10 – 21 Uhr
Eintritt: 16 €, erm. 8 €
www.hamburger-kunsthalle.de
Caspar David Friedrich
Lebenslinien 28.4. – 4.8.2024
Sehnsuchtsorte 18.8. – 6.10.2024
Heimatstadt 16.10.2024 – 5.1.2025
Pommersches Landesmuseum
Rakower Str. 9
D-17489 Greifswald
Tel.: +49-3834-83120
Di – So 10 – 18 Uhr
Eintritt: 8 €, erm. 6 €
www.pommersches-landesmuseum.de
Text: Dieter Begemann
Bild: Hamburger Kunsthalle
Erstveröffentlichung in kunst:art 95