Eine bessere Welt
Zuerst einmal sieht man in einem großen Raum des Museums der bildenden Künste (MdbK) Leipzig vier Gebilde, die auf den ersten Blick unspektakulär aussehen: Stahlskelette, überworfen mit einem grobmaschigen Netz. Doch lassen wir die Erklärung der Künstlerin auf uns wirken, so nehmen sie in unserer Wahrnehmung eine neue Gestalt ein: Die Gebilde sind Lebewesen, beziehungsweise Fossilien vergangener Lebewesen. Vergleichbar in der Struktur, unterschiedlich in Größe und Dicke der Körper, was auf unterschiedliche Alter der Wesen schließen lässt.
Sandra Mujinga wurde 1989 in Goma (Kongo) geboren, ist aufgewachsen in Norwegen und lebt und arbeitet heute in Berlin und Oslo. Kunst studiert hat Mujinga an der Malmö Art Academy und für ein Semester auch an der Akademie der bildenden Künste Wien. In den vergangenen Jahren nahm sie an zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen in Europa, den USA, Afrika und Asien teil. Der Preis der Nationalgalerie 2021 verbunden mit einer Ausstellung im Hamburger Bahnhof Berlin dürfte dabei ein Höhepunkt sein.
Die norwegische Künstlerin entwirft für ihre Arbeiten immer wieder unbekannte Wesen, die nicht als Frau oder Mann erkennbar sind und an denen man auch sonst kaum Unterscheidungen sehen kann: Sie haben also keine für uns erkennbare Merkmale, nach denen man sie diskriminieren könnte. Die Jury vom Preis der Nationalgalerie beschrieb ihre Wesen folgendermaßen: „Ihre Skulpturen erwecken den Eindruck, als kämen sie aus einer vergangenen Zukunft.“
Es sind unterschiedliche Wesen, die Sandra Mujinga in ihren Ausstellungen präsentiert. In der Bergen Kunsthall (Norwegen) waren es 2019 an Menschen erinnernde Wesen, die wie körperlose Textilhüllen wirkten, in Leipzig nun Fragmente von menschenunähnlichen Skeletten und Netzstrukturen. Gemein ist ihnen, dass Mujnga sich von Science-Fiction-Literatur inspirieren lässt. Sie erschafft Wesen, die mal mehr, mal weniger Menschen ähneln und die eigene Lebens- und Überlebensstrategien entwickeln durch körperliche Besonderheiten, die man auch Mutationen nennen könnte.
Sandra Mujingas Wesen sind der Versuch, Alternativen zur menschlichen Existenz zu schaffen. Wesen, die nicht ihre Umwelt ausbeuten, ihren Lebensraum vernichten und sich gegenseitig körperlich oder psychisch zum Beispiel durch Diskriminierung verletzen. Wesen für eine andere, eine bessere Welt!
Sandra Mujinga. Fleeting Home
bis zum 20.5.2024
Museum der bildenden Künste Leipzig
Katharinenstr. 10
D-04109 Leipzig
Tel.: +49-341-216990
Di 10 – 18 Uhr, Mi 12 – 20 Uhr, Do – So 10 – 18 Uhr
Eintritt: 8 €, erm. 4 €
www.mdbk.de
Text: Mathias Fritzsche
Bild: Museum der bildenden Künste Leipzig
Erstveröffentlichung in kunst:art 95