Ein Schritt zurück mit Blick nach vorn
Der niederländische Künstler Matthijs Röling, Jahrgang 1943, besuchte bereits im Alter von sieben Jahren ein Künstleratelier. Aufgewachsen in einer kunstaffinen Familie, entwickelte sich der hochbegabte Junge rasch weiter und begann mit 17 Jahren, an der Kunstakademie in Den Haag zu studieren. Drei Jahre später entschloss er sich, sein Studium an der Kunstakademie in Amsterdam fortzusetzen. Doch der Wechsel führte bei dem jungen Maler nicht zum gewünschten Ergebnis der eigenen Entwicklung. Nach einem Jahr in Amsterdam brach er das Studium ab und begann das zu malen, was ihm vorschwebte. Mit der vorherrschenden Lehre der Abstrakten und Konzeptuellen Kunst an beiden Kunstakademien konnte und wollte sich Röling nicht anfreunden. Tief in seinem Inneren wusste er bereits, was und wie er malen wollte. Heute gilt er als jüngster der alten Meister.
Sein Mut, aus dem gängigen damaligen Kunstbetrieb auszubrechen, sollte später belohnt werden. 1965, ein Jahr nach dem Verlassen der Kunstakademie in Amsterdam, hatte er seine erste Ausstellung im Drents Museum in Assen. Erst elf Jahre später, 1976, gelang ihm der künstlerische Durchbruch mit einer Serie von Stillleben.
Das Panorama Museum in Bad Frankenhaus zeigt jetzt in Kooperation mit dem Drents Museum in Assen und privaten niederländischen Leihgebern rund achtzig Gemälde, Zeichnungen und Skizzenbücher von Matthijs Röling. Dabei stellt sich die Frage, was den Künstler an der Manier der alten Meister derart begeistert, dass er sie für sich neu erfand. Bis heute faszinieren die Werke der niederländischen Maler überwiegend aus dem 17. Jahrhundert. Es ist sicher dieser realistische Stil, die kongeniale Darstellung des Menschen und der Natur. Selbst ein gelöstes welkes Tulpenblatt, das in einem Stillleben auf dem Tisch liegt, begeistert gekonnt von Meisterhand gemalt. Diese Kongenialität hat Röling zur Chefsache in seinem Schaffen gemacht.
Zu den Werken, die einen in der Ausstellung förmlich in ihren Bann ziehen, zählt „Judith“ aus dem Jahr 1975. Rölings Judith ist eine junge verwitwete selbstbewusste Frau, die den abgetrennten Kopf von Holofernes an seinen Haaren fest im Griff hat. Vergleicht man Rölings Darstellung mit der von Artemisia Gentileschi aus der Zeit um 1612, so fällt dabei auf, dass die italienische Künstlerin ihre beiden Frauengestalten kleiner als Holofernes selbst gemalt hat. Bei Röling ist es genauso. Der Kopf des ermordeten Feldherrn ist größer als der von Judith. Sie ist wunderschön und verführerisch in einem fast durchsichtigen weißen Gewand dargestellt, wissend, dass sie ihr Volk mit der Tat gerettet hat.
Ganz anders hingegen ist „Für Geke“ aus dem Jahr 2006 gemalt. Hier löst sich Röling vom Manierismus und interpretiert ihn neu. Er weiß um die Genauigkeit des lockeren Faltenfalls am Kragen von Gekes leichter weißer Jacke mit halblangen Ärmeln und die des langen weißen Rockes. Grandios kommt diese scheinbare Loslösung von den alten Meistern daher, die keine ist: Er ist der jüngste ihrer Zunft.
Nadja Naumann lebt und arbeitet als freie Journalistin und Künstlerin in Mitteldeutschland.
Matthijs Röling. Mythos und Natur
bis zum 16.6.2024
Panorama Museum
Am Schlachtberg 9
D-06567 Bad Frankenhausen
Tel.: +49-34671-6190
Di – So 10 – 17 Uhr
Eintritt: 9,50 €, erm. 8,50 €
www.panorama-museum.de
Text: Nadja Naumann
Bild: Panorama Museum
Erstveröffentlichung in kunst:art 97