Im Auge des Betrachters
Teils versteckt und manchmal ganz unverhohlen finden sich in den Sammlungen deutscher Museen zahlreiche Werke, die von Sexismus oder sexualisierter Gewalt, von Diskriminierung oder Rassismus geprägt sind. Durch Überlegenheitsansprüche – sei es durch imperialistische oder koloniale Mächte über viele Jahrhunderte hinweg, die Propaganda in der Zeit des Nationalsozialismus oder den im 18. Jahrhundert populär werdenden Antiziganismus, der sich gegen Sinti und Roma richtet – entstandene Werke sind einflussreich in der Kunstgeschichte vertreten. Das Landesmuseum Oldenburg nimmt diese Diskrepanz nun zum Anlass, die eigene Sammlung neu zu begutachten, denn unlängst ist nicht mehr alles legitim und von der Kunstfreiheit gedeckt, was vor hunderten von Jahren noch en vogue zu sein schien.
So prangt auf einem Ausstellungsplakat der Kunsthalle Recklinghausen von 1957 in großen Lettern unverblümt der Titel Negerkunst und Christentum, Otto Muellers Mädchen auf dem Kanapee von 1922 zeigt sich in aufreizender Pose und auch Erich Heckels Stehendes Kind (Fränzi, stehend), publiziert in der 6. Jahresmappe der K. G. Brücke im Jahr 1911 zeigt in lasziver Attitüde ein nacktes Mädchen, kaum älter als 12 Jahre. Herauszufinden, welche anmaßenden, bisweilen verstörenden Stereotype, Narrative und Bildtraditionen in Werken der bildenden Kunst zu finden sind, und diese in einen zeitgemäßen, reflektierten und kritischen Diskurs zu betten – die Arbeiten im eigenen Haus aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten –, macht sich die Kabinettausstellung im Prinzenpalais zur lobenswerten Aufgabe.
Perspektivwechsel!
21.5. – 29.9.2024
Landesmuseum Kunst & Kultur Oldenburg
Damm 1
D-26135 Oldenburg
Di – So 10 – 18 Uhr
Eintritt: 9 €, erm. 6 €
www.landesmuseum-ol.de
Bild: Landesmuseum Kunst & Kultur Oldenburg
Erstveröffentlichung in kunst:art 97