Pop und Party!
Dem Großmeister der Campbell’schen Tomatensuppe, Andy Warhol, und seinem Seelenverwandten, dem Graffitihelden Keith Haring, widmen sich in diesem Jahr gleich zwei wichtige deutsche Museen, eines im Norden, das andere im Süden der Republik. Die Schwerpunkte werden etwas unterschiedlich gesetzt: Während das Münchner Museum Brandhorst, im Kunstareal gleich bei der Pinakothek der Moderne, die erste großangelegte institutionelle Ausstellung offeriert, die der „Party of Life“ der beiden Künstler gewidmet ist, konzentriert sich die Berliner Neue Nationalgalerie auf die homosexuelle Identität des Pioniers der Pop Art.
Andy Warhol (1928–1987) ist sicherlich einer der bekanntesten Künstler des 20. Jahrhunderts, unterwegs in zahllosen Feldern wie beispielsweise Malerei, Druckgrafik, Film oder Aktionskunst. Er wurde, paradox gesagt, einzigartig durch seine entschlossene Abschaffung der Einzigartigkeit des Künstlers. Die Wahrnehmung der Welt in der modernen Konsumgesellschaft geschieht durch einen Filter, den der Werbung, die in der Folge das ganze Leben durchdringt und präformiert. Und wenn man daraus Kunst macht, so Warhols Gedanke, ist der Motivfundus schier unerschöpflich. Der Warenfetischismus ist eine immerwährende Suche nach Schönheit, nach dem ultimativen Kick. Dieses Prinzip übertrug der Künstler auf sein Leben, in dem zahlreiche Partner das Ideal männlicher Schönheit verkörperten. Von frühen Skizzen bis zur späten Zusammenarbeit mit Jean-Michel Basquiat war er dem perfekten Ausdruck dieses Ideals auf der Spur. Nur musste eben, unter den Bedingungen der Zeit, ein Teil der so entstandenen Werke dem Auge der Öffentlichkeit verborgen bleiben. Kuratiert von Klaus Biesenbach zeigt „Velvet Rage and Beauty“ in der Neuen Nationalgalerie Berlin mehr als zweihundertfünfzig Arbeiten in den verschiedensten Medien. Das „Velvet Rage“ im Titel ist übrigens Hommage an das gleichnamige bahnbrechende Buch des US-amerikanischen Psychologen Alan Downs, der darin die Probleme beschrieb, homosexuell in einer heterosexuellen Welt aufzuwachsen.
An der Isar geht die Party weiter: Keith Haring (1958–1990), in gewisser Weise Nachfolger Warhols, teilt mit dem Älteren die Begeisterung für den Pop. Beide waren selbst förmliche Popstars, mit hemmungslosem Selbstdarstellungstrieb und der zugehörigen bewundernden Entourage. Sie schlachteten die Warenästhetik der modernen Welt aus – und bereicherten sie ihrerseits im Rückschluss. Ein exzessives Partyleben gehörte zum privaten Vergnügen und war gleichzeitig Bühne der beiden Genies der Selbstvermarktung. „Party of Life“: Der Titel der von Franziska Linhardt verantworteten Schau im Museum Brandhorst – das Haus verfügt über eine reiche Kollektion beider Künstler – zitiert das Motto der legendären Geburtstagspartys von Keith Haring. Es beschwört den hedonistischen Kosmos der 1980er-Jahre, die Welt von MTV, Disco, New Wave und Graffiti. Dies mag nun zwar schon Vergangenheit sein, aber Pop lebt – und damit auch das Werk von Warhol und Haring!
Dieter Begemann ist Künstler und Kunstwissenschaftler. Er liebt außerdem Architektur, Design, Literatur und Italien!
Andy Warhol. Velvet Rage and Beauty
9.6. – 6.10.2024
Neue Nationalgalerie
Potsdamer Str. 50
D-10785 Berlin
Tel.: +49-30-266424242
Di – So 10 – 18 Uhr, Do 10 – 20 Uhr
Eintritt: 16 €, erm. 8 €
www.neue-nationalgalerie.de
Andy Warhol & Keith Haring. Party of Life
28.6.2024 – 26.1.2025
Museum Brandhorst
Theresienstr. 35A
D-80333 München
Tel.: +49-89-238052286
Di – So 10 – 18 Uhr, Do 10 – 20 Uhr
Eintritt: 7 €, erm. 5 €
www.museum-brandhorst.de
Text: Dieter Begemann
Bild: Museum Brandhorst
Erstveröffentlichung in kunst:art 97