
Generationsübergreifender Dialog
Ein bisschen Ehrfurcht schwingt immer mit, betrachtet man Bilder der Alten Meister. Sei es Rembrandts Spiel mit Licht und Schatten oder Caravaggios kontrastscharfe und dramatische Hell-dunkel-Inszenierung, meisterhaft wirkt jeder Pinselstrich. Sie erzählen von bürgerlicher Lebenswelt, Schlachten, biblischen oder alltäglichen Motiven, setzen Königen und Fürsten Denkmäler für die Ewigkeit und überdauern die Epochen bis heute. In Szene gesetzte Tradition erzählt, welche Werte und Themen wichtig waren, und oft verklausuliert auch von Unterdrückung und Macht. Viele Alte und Neue Meister haben nun ihren Weg in Privathaushalte gefunden, sind Kunstdrucke doch mittlerweile gängig und beliebt. So schmückt Vermeers Bild „Das Mädchen mit Perlenohrring“ nicht nur Wände, sondern auch Tassen und inspirierte moderne Autoren zu Romanen und Verfilmung. Dass sein Werk einmal auf diese Weise rezipiert werden würde, hätte sich Vermeer selbst sicherlich nicht ausgemalt. Manches mag aus heutiger Sicht verstaubt oder überwunden wirken, doch wie wird unsere Lebenswelt einst erzählt werden?
Zum Gründungsjubiläum zeigt das Kulturgeschichtliche Museum nun die Ausstellung „ganz schön – von gestern“, welche den Sammlungsbestand der Alten und Neuen Meister würdigt. Im Rahmen der Ausstellung treten nicht nur Werke in den Dialog mit dem Betrachter, auch das Arrangement spiegelt den Kontrast zwischen historischem und zeitgenössischem Stil wider. Schillernd rot unterstreicht beispielsweise die Wandfarbe einer Hängung, im Gegensatz zu den gedeckten Farben der Meister, die Andersartigkeit der eingesetzten Farbe. Während oft Kerzenlicht und eher dunkle Szenen etwa die niederländische Malerei prägen, bricht ein gelber Infokubus antithetisch schillernd die stille Szenerie altmeisterlicher Schönheit.
Präsentiert werden frühe und bedeutende Werke der bildenden Kunst des 16. bis 19. Jahrhunderts, welche dem Haus internationalen musealen Stellenwert brachten. Auch sind Arbeiten aus der Sammlung Gustav Stüve, insbesondere niederländische und flämische Meister, sowie deutsche und italienische vollständig zu sehen. Diese werden durch Dauerleihgaben aus Häusern der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ergänzt.
Auch wirft die Schau eine zeitkritische Frage auf: Wo sind eigentlich die alten Meisterinnen geblieben? Ihre Existenz ist zwar kunsthistorisch belegt, doch sind sie selten sichtbar – so auch kaum in Osnabrück. Bei den vielen Errungenschaften und Freiheiten, für welche in blutigen Revolutionen seit 1600 gekämpft wurde, bleiben die Meisterinnen leider selten gesehen. Überraschungswerk unter den 120 Bildern ist daher die Arbeit einer „Meisterin“. Zur Finissage am Weltfrauentag ist zudem der Eintritt frei und um 18 Uhr sprechen Lisa Hecht, Adriana Martins Mota und Katrin Lazaruk über „(Un)Sichtbarkeiten – Wie queer sind die ‚Alten Meister‘?“. Den spannenden Dialog zwischen Alten und Neuen Meistern zeigt die teils überraschende Schau noch bis zum 9. März 2025.
Johanna Bayram lebt und arbeitet als freie Autorin in NRW.
Ganz schön – von gestern
bis zum 9.3.2025
Museumsquartier Osnabrück
Kulturgeschichtliches Museum
Lotter Str. 2
D-49078 Osnabrück
Tel.: +49-541-3232207
Di – Fr 11 – 18 Uhr, Sa + So 10 – 18 Uhr
Eintritt: 8 €, erm. 6 €
www.museumsquartier-osnabrueck.de
Text: Johanna Bayram
Bild: Museumsquartier Osnabrück
Erstveröffentlichung in kunst:art 101