Orhan Pamuk im Lenbachhaus München

17.05.. - 13.10.2024 | Städtische Galerie im Lenbachhaus

Orhan Pamuk in seinem Museum der Unschuld in Istanbul

Humanist und Künstler

Es bewegt sich etwas in der Türkei. Die Hoffnung wächst, dass die Türkei offener und demokratischer
wird. Und natürlich wächst damit auch die Hoffnung, dass sich die Türkei wieder mehr in Richtung
Europa, in Richtung EU bewegt. Die Kommunalwahlen am 31. März haben in der Türkei große
Veränderungen in der Bevölkerung hervorscheinen lassen, was Grund zu dieser Hoffnung macht. Der
türkische Schriftsteller Orhan Pamuk ist einer von vielen, die stets versucht haben, den Humanismus in
ihrem Land zu bewahren und den dortigen Nationalismus in Schranken zu verweisen.

Orhan Pamuk, 1952 in Istanbul geboren, ist vor allem Schriftsteller. Er wächst in einem offenen, pro-
westlich orientierten Haushalt auf, in dem die europäische Literatur viel gelesen wird. Als Jugendlicher

beschäftigt sich Pamuk viel mit Malerei und plant, Künstler zu werden. Es kommt anders und er wird
Schriftsteller und erhält 2006 als erster türkischer Schriftsteller den Literaturnobelpreis. Was weniger
bekannt ist: Der Schriftsteller ist auch als bildender Künstler weiterhin aktiv und malt, skizziert,
fotografiert und zeichnet.
Das Lenbachhaus in München zeigt nun eine Auswahl seiner Werke, die sich häufig mit seiner
Heimatstadt Istanbul und den Menschen dort beschäftigt. Es ist ein sehr persönliches Bild Orhan
Pamuks, das sich dort offenbart. Anders als seine Bücher sind seine bildkünstlerischen Werke
ursprünglich nicht unmittelbar für die Öffentlichkeit entstanden.

Das Bild Istanbuls, das Pamuk in seinen Werken skizziert, ist keine reine Bestandsaufnahme oder
Wiedergabe des heutigen Istanbuls. Pamuk interessiert die Entwicklung vom Osmanischen Reich bis zur
heutigen Republik. Was macht diese Geschichte mit der Stadt, mit den Menschen und mit ihrem
Zusammenleben? Dabei ist auch die Rolle Istanbuls als Mittler zwischen den Kulturen, als Mittler
zwischen dem asiatischen und dem europäischen Kontinent ein wichtiges Momentum in Pamuks Œuvre.
Doch Orhan Pamuk ist nicht nur Schriftsteller und Künstler, sondern auch Aktivist, Kurator und
Museumsgründer: In Istanbul gründete er 2012 das „Museum der Unschuld“ zu seinem gleichnamigen
Roman, 2014 wird dieses Museum als „Europäisches Museum des Jahres“ ausgezeichnet. Analog zum
Roman werden Gegenstände des Alltags ausgestellt, die mit den Hauptfiguren der Geschichte zu tun
haben. Denn im Roman entscheidet sich der Protagonist, ein Museum über seine verstorbene Geliebte
zu gründen, in dem er all die Gegenstände zeigt, die ihm von ihr geblieben sind. In Schaukästen sind
diese Gegenstände im echten Museum zu sehen und einige davon wurden für die Ausstellung in
München nachgebildet.

Mathias Fritzsche ist Kunsthistoriker und lebt in Köln.

Orhan Pamuk. Der Trost der Dinge
bis zum 13.10.2024
Städtische Galerie im Lenbachhaus
Luisenstr. 33
D-80333 München
Tel.: +49-89-23396933
Di – So 10 – 18 Uhr, Do 10 – 20 Uhr
Eintritt: 10 €, erm. 5 €
www.lenbachhaus.de

Text: Mathias Fritzsche
Bild: Städtische Galerie im Lenbachhaus
Erstveröffentlichung in kunst:art 98

Über Mathias Fritzsche 124 Artikel
Ein Thema jagt das nächste: Der Wochengipfel hält ein oder zwei Themen fest und bringt sie in Erinnerung. Was war vergangene Woche so wichtig, dass man Schnappatmung bekam und ist diese Woche dennoch schon vergessen? Oder über welche Nachricht hat man sich so gefreut, dass man auf den Balkon ging und die Nachricht für die ganze Welt in den Abendhimmel geschrien hat?