Von der Schönheit des Flusses
Das Wasser in der Natur hat auf den Menschen eine besondere Anziehungskraft, die zeitlos ist. Für Künstler ist es eine Inspirationsquelle. Davon zeugt der Song „Cry Me a River“, der für Ella Fitzgerald geschrieben wurde, und zwar für den Film „Pete Kelly’s Blues“, der 1955 in den US-Kinos startete. Michael Bublé hat den Song 2012 neu interpretiert, dabei aber an die Jazz-Version von Fitzgerald angeknüpft. Ganz anders Justin Timberlake, der 2002 wohl seine Trennung von Britney Spears in dem Song verarbeitete. Punktgenau lässt sich „Cry Me a River“ nicht ins Deutsche übersetzen, aber von der Bedeutung her ist es „wein dich aus“. Der Fluss nimmt die Tränen auf und trägt sie davon.
Ugo Rondinone wuchs in Brunnen auf und studierte von 1986 bis 1990 an der Universität für angewandte Kunst Wien. Sein Schaffen umfasst Konzept-, Medien- und Installationskust und seine Bandbreite reicht von großformatigen Holzschnitten bis hin zu Comics. Was Rondinone auszeichnet, ist, dass er sehr schlicht arbeitet und mit dieser scheinbaren Einfachheit zu überzeugen weiß. Gerade darin liegt der Reiz seiner Werke.
Als international erfolgreich agierender Künstler hat er sich eine enge Bindung zu seiner Heimat bewahrt.
Das Kunstmuseum Luzern zeigt seine neuesten Arbeiten unter dem Titel „Cry Me a River“, wobei mit „River“ die Reuss gemeint ist, die vor dem Museum aus dem Vierwaldstättersee fließt. Das ständig in Bewegung Sein, ein Fluss steht nie still, bringt eine Konstante mit, der Fluss geht seinem Weg nach, und ist zugleich ein Symbol für das Neue.
Neu sind auch die Arbeiten des Künstlers, die von der landschaftlichen Schönheit der Schweiz zeugen. Dabei gelingt ihm eine Liebeserklärung an seine Heimat, die äußerst liebevoll und mit viel Humor ausfällt. Sie zeugen aber auch von der tiefen Verbundenheit Rondinones zur Schweiz, denn der Künstler arbeitet in Zürich und New York City. Ein Beispiel für die Verbundenheit sind die übergroßen Steinmännchen, die die Tradition der hilfreichen Wegweiser im Gebirge aufgreifen. Diese sehr einfach gehaltenen „Stonefigures“ sprechen jeden an, weil sie einfach und meist lustig gestaltet sind. Der Humor ist etwas, dass Rondinone wichtig ist. Er steht bei ihm für die Leichtigkeit des Lebens, ohne dessen Schwere zu ignorieren. Die Balance gelingt perfekt.
Der Fluss steht nicht nur für das Wasser, sondern auch für den Fluss des Lebens. „Fluss ohne Wiederkehr“, der Film von 1955 mit Marilyn Monroe in der Hauptrolle, trägt seine Protagonisten an einen anderen Ort. Vielleicht kann man das auf das Werk von Rondinone beziehen. Er wurde an einem anderen Ort heimisch, und selbst wenn man pendelt zwischen zwei Kulturen, bleibt eine innere Zerrissenheit. Wasser zirkuliert und die Tränen, wo immer sie vergossen werden, speisen den Fluss des Lebens.
Nun könnte der Künstler sich am Horizont orientieren, aber er wählt ganz bewusst den Fluss. Denn in New York City fließt der Hudson River in den Atlantik. Sehr blau ist das Wasser im Idealfall und das ist es bei Rondinone.
Nadja Naumann lebt in Mitteldeutschland und ist eine bekennende Liebhaberin der Schweizer Berge.
Ugo Rondinone. Cry Me a River
6.7. – 20.10.2024
Kunstmuseum Luzern
Europaplatz 1
CH-6002 Luzern
Tel.: +41-41-2267800
Di – So 11 – 18 Uhr, Mi 11 – 19 Uhr
Eintritt: 15 CHF, erm. 6 CHF
www.kunstmuseumluzern.ch
Text: Nadja Naumann
Bild: Kunstmuseum Luzern
Erstveröffentlichung in kunst:art 98