
Intimität jenseits idealisierter Körperbilder
Liebe ist so alt wie die menschliche Existenz und seit jeher auch in der Kunst ein beliebtes Motiv. Kunstwerke über die Liebe versuchen, die Essenz dieses Gefühls einzufangen, das gleichzeitig eine sehr persönliche und universelle Erfahrung ist. Ein Blick in die Kunstgeschichte zeigt: Liebe ist ein weites Feld. Aber wie sieht es mit dem universellen, zeitlosen Thema in der Gegenwartskunst aus? Vielfältige, teils überraschende Antworten darauf gibt es in der aktuellen Ausstellung „Love, Maybe“ in der Münchner Alexander Tutsek-Stiftung, die sich den Herausforderungen und facettenreichen Möglichkeiten, Liebe in der Gegenwartskunst ins Bild zu setzen, stellt. Wie kann die Darstellung von Liebe in unserer von multiplen Krisen geprägten Gegenwart aussehen? Was bedeutet es, sich nahe zu kommen?
Ob in romantischen Beziehungen, Freundschaften oder durch das Kameraobjektiv – Intimität ist gelebte Sensibilität, aber auch immer eine Frage der Darstellung. Die von Jana Johanna Haeckel kuratierte Ausstellung zeigt, dass die Liebe einerseits sehr universell ist und doch individuell geprägt durch Zeit, Gesellschaft und Kultur. Der Titel der Schau bezieht sich auf ein Gedicht der afroamerikanischen Schriftstellerin und Bürgerrechtlerin Audre Lorde, die den modernen Mythos der romantischen Liebe einer radikalen Untersuchung unterzogen hat.
Die Gruppenausstellung präsentiert rund 240 Fotografien, multimediale Installationen und fünf große skulpturale Arbeiten aus Glas von insgesamt 24 internationalen Künstlern, darunter prominente Namen wie Monica Bonvicini, Nan Goldin oder Kiki Smith, aus 13 Ländern. Gegliedert ist die Ausstellung in vier Kapitel, deren farbliche Inszenierung dem Gefühl der Nähe und Geborgenheit nachempfunden ist und die Intimität, Blickregime, Fürsorge und Queerness thematisiert. Künstler wie Oliver Chanarin versuchen jenseits idealisierter Körperbilder in einer digitalen Welt, die uns permanent zur Selbstoptimierung drängt, den Blick von Perfektion abzuwenden und schaffen damit neue Perspektiven auf Intimität, die traditionelle Rollenvorstellungen herausfordern. Der Blick ist nie neutral – er formt Machtverhältnisse, prägt Stereotype und wird durch Kultur, Gesellschaft und Technologie beeinflusst. Wer blickt, wer wird gesehen – und wie beeinflussen KI und digitale Avatare unsere Wahrnehmung? Thematisiert wird in der Ausstellung auch das patriarchale und rassistisch geprägte Blickregime wie etwa bei den Arbeiten von Eli Cortiñas. Die Künstlerin dekonstruiert mit Video- und Audiomaterial visuelle Stereotype von Liebe.
Mittels QR-Codes an ausgewählten Werken können Besucher der Ausstellung zudem den Künstlern dabei zuhören, wie sie über ihre Arbeiten sprechen. Die Fotografien, multimedialen Installationen und Skulpturen aus Glas – viele davon aus der eigenen Sammlung – lassen auf über 400 Quadratmetern Ausstellungsfläche in der Alexander Tutsek-Stiftung die Liebe jenseits ihres romantischen Anspruchs als aktive Handlung begreifen: als Verantwortung, Fürsorge und politische Geste.
Stefan Simon weiß als Kunsthistoriker, dass es immer auch auf die Perspektive ankommt.
Love, Maybe. Intimität und Begehren in der Zeitgenössischen Kunst
7.2. – 17.7.2025
Alexander Tutsek-Stiftung
BlackBox & BlackBox FirstFloor
Georg-Muche-Str. 4
D-80807 München
Tel.: +49-89-55273060
Mo – Do + So 12 – 18 Uhr
www.atstiftung.de