Eintrittsgeld oder freier Eintritt in Kunstmuseen?

Ein Kommentar von Mathias Fritzsche in kunst:art 45

Kommentar

Die Diskussion war nie verebbt, doch nun wird sie zumindest wieder mit neuem Leben erfüllt. Sollten Kunstmuseen freien Eintritt gewähren, zumindest was die Dauerausstellung des Hauses angeht? Neu entfacht hat diese Diskussion der Direktor des Museum Folkwang in Essen, Dr. Tobia Bezzola, der – ermöglicht durch eine große Spende der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung – für fünf Jahre den Eintritt in die Dauerausstellung freigibt. Eine sinnvolle, vielleicht sogar überfällige Maßnahme?

Eines ist es gewiss: Gute Eigenwerbung für das Haus, für die Stiftung und für den Herrn Direktor. Da schenkt also eine Stiftung uns, den Steuerzahlern, freien Eintritt in ein Haus, das von unseren Steuern bezahlt wird. Chapeau! Das ist ja mal ein Fortschritt!

Tatsächlich ist die Frage der Eintrittsgelder alles andere als neu. Auch die Erfahrungen aus Paris und London mit kostenlosem Eintritt in die Dauerausstellungen hilft da kaum weiter, da es sich um Städte handelt, die internationale touristische Hotspots sind. Kostenloser Eintritt erhöht die Übernachtungszahlen und die Bereitschaft kostenpflichtige Sonderausstellungen zu besuchen. Wenn man schon mal in der Stadt ist, … Unterm Strich kein finanzieller Verlust für die Museen, aber ein Imagegewinn im internationalem Haifischbecken des Tourismusbusiness. Spannend, aber übertragen höchstens für Berlin, Wien und mit Abstrichen München und Hamburg relevant. Überdies gibt es auch schon seit längerem einige Kunstmuseen und Städtische Galerien in Deutschland, die auf Eintritt verzichten. Bezahlt übrigens auch dort vom Steuerzahler. Und zwar komplett!

Ist also das Modell mit dem freien Eintritt sinnvoll? Nun, die Situation in Essen ist eine ganz besondere: Da steht ein Haus inmitten einer strukturschwachen Stadt in einer strukturschwachen Region, doch eine der finanzkräftigsten Stiftungen unterstützt das Museum Folkwang und fordert ein, dass die notorisch klamme Stadt mitzieht. Das ist kein Beispiel für andere Museen, da die meisten Museen unter schwierigsten Umständen mit wenig Geld phantastische Arbeit leisten. Jedes Museum hat seine besondere Situation, seine besonderen Umstände, denen Rechnung getragen werden muss. Die brauchen keinen Musterschüler, der – zumindest im Verhältnis – im Geld schwimmt und den anderen sagt, wie der Hase läuft.

Kurzum, es gibt Museen, Städtische Galerien und Kunsthallen, wo freier Eintritt sinnvoll ist und andere, wo es keinen Sinn macht. Die Museen sind so unterschiedlich, wie die Städte, in denen sie sich befinden. Das macht ihre Qualität aus! Mit dem Ende des Neoliberalismus hoffte man zugleich auf ein Ende der Dogmen. Zu früh gefreut, die wird es wohl immer geben. Aber zumindest aus der Frage Eintrittsgeld in Kunstmuseen oder freier Eintritt sollte man kein Dogma machen. Stattdessen sollte die Vielfalt gepflegt und gestärkt werden, denn hier liegt die wahre Stärke!

 

Mathias Fritzsche ist Kunsthistoriker und Chefredakteur von kunst:art.

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Ein Thema jagt das nächste: Der Wochengipfel hält ein oder zwei Themen fest und bringt sie in Erinnerung. Was war vergangene Woche so wichtig, dass man Schnappatmung bekam und ist diese Woche dennoch schon vergessen? Oder über welche Nachricht hat man sich so gefreut, dass man auf den Balkon ging und die Nachricht für die ganze Welt in den Abendhimmel geschrien hat?

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