Camille Graeser und die Musik

30.1. – 10.4.2016

Welche künstlerischen Möglichkeiten existieren, um eine Melodie oder einen Rhythmus bildlich darzustellen? Dies ist eine der Hauptfragen, die Camille Graeser, Künstler der Züricher Schule der Konkreten, in seinen Werken zu beantworten versucht. Das Aargauer Kunsthaus bietet in Kooperation mit dem Stuttgarter Kunstmuseum dem Museumsbesucher in der Ausstellung Camille Graeser und die Musik die Möglichkeit, sich mit der bislang diesen Bereich betreffenden und nicht so beachteten „Konkreten Kunst“ des Künstlers auseinanderzusetzen. Am ehesten ist es möglich, sich seine Bilder mit farbigen, tanzenden und schwebenden Balken, Rechtecken oder auch geschwungenen Körpern vorzustellen, wobei Graeser den Akt des Malens mit dem des Komponierens eines Musikstückes vergleicht.

Camille Graeser wuchs Anfang des 20. Jahrhunderts in Stuttgart auf. Nach seiner Schreinerlehre studierte er um 1915 Innenarchitektur und Werbegrafik an der jetzigen Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. Inspiriert durch den Malunterricht bei Adolf Hölzel, entwickelte Graeser schon früh seine Affinität zu definierten und klaren Strukturen, die schließlich in seine konstruktive „Konkrete Kunst“ mündete. Für seine musikalischen Werk ist ein Bezug zur „Loxodromischen Komposition“ typisch. Ein Begriff, der der Mathematik entlehnt ist und eine kurvige, schief verlaufende Linie auf einer Kugeloberfläche als Sinnbild für die Aufhebung der bekannten Vorstellung von Vorder- und Rückseite beinhaltet.

In Stuttgart kam der Künstler in den 20er-Jahren mit dem modernen Freien Tanz in Kontakt, wobei Graeser besonders die Choreografien von Rudolf von Laban zu kubischen, geometrisch angeordneten Darstellungsformen inspirierten. Aufgrund seiner Flucht vor den Nationalsozialisten ließ sich der gebürtige Schweizer in Zürich nieder. Durch den Beitritt zur Künstlergruppe allianz intensivierte sich seine künstlerische Tätigkeit, gleichwohl er immer wieder mit Rückschlägen zu kämpfen hatte. Nicht zuletzt durch die Auseinandersetzung mit avantgardistischer Kunst, aber auch mit Musikern wie Johann Sebastian Bach und seiner „Kunst der Fuge“ oder zeitgenössischen Werken von Arnold Schönberg, knüpfte Graeser eine enge Bindung zwischen Musik und bildender Kunst. Allerdings widmete der Künstler erst 1946 bis 1955 seine sogenannten Loxodromischen Kompositionen explizit der Darstellung von Musik durch Farben und Formen, umgesetzt unter anderem in unterschiedlich breiten Balken und geometrisch exakt zueinander berechneten Winkeln.

Um die siebzig Gemälde, meist in Öl, sowie Zeichnungen und Ideenskizzen verdeutlichen die im Laufe der Jahre immer mehr von Graeser besitzergreifende Vorstellung der Verbildlichung von Musik. Diese Intention wird in der Ausstellung auch durch begleitende musikalische Darbietungen unterstrichen. Eine höchst abwechslungsreiche Präsentation für wahrlich alle Sinne, die hier in der länderübergreifenden Zusammenarbeit gelungen ist.

Text: Greta Sonnenschein/ka47 | Bild: Aargauer Kunsthaus
Externer Link: www.aargauerkunsthaus.ch

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