Artsplash | Restaurierter „Baal“ von Volker Schlöndorff auf DVD

Artsplash 17.05.2016

DVD Cover Baal (© Weltkino Filmverleih GmbH)

Wer sich in der deutschen Filmgeschichte halbwegs auskennt, den wird die restaurierte Fassung von „Baal“ von Volker Schlöndorff auf DVD und erstmals auf Blu-ray (ab dem 29. April 2016 im Handel) wie ein Klassentreffen vorkommen, denn die meisten Schauspieler, darunter Rainer Werner Fassbinder, Hanna Schygulla oder Margarethe von Trotta standen damals kurz vor ihrem Durchbruch.

„Baal“ beruht auf dem gleichnamigen Bühnenstück von Bertolt Brecht. Das Pikante an dem Film ist, der in seiner Zeit als Skandalfilm verschrien war, dass ihn die Witwe von Bertolt Brecht – Helene Weigel – kurz nach seiner Uraufführung im TV 1970 verbieten ließ. 1971 verstarb sie, aber ihre Tochter Barbara Brecht-Schall ließ das Aufführungsverbot nicht aufheben und respektierte damit den Wunsch ihrer Mutter. Erst 2011 stimmte sie einer Veröffentlichung zu. „Baal“ erlebte 2014 auf der Berlinale sein Comeback auf der Kinoleinwand.

Eigentlich war die DEFA bekannt für ihren Giftschrank. Aber das „Baal“ für über 40 Jahre in einem Giftschrank in der BRD eingelagert wurde ist absurd. Vor allem wenn man bedenkt, dass Helene Weigel im Osten Berlins lebte. Der Grund für das erwirkte Verbot war, dass Helene Weigel sich daran stieß, dass der Film inhaltlich gegen das Bühnenstück verstoßen würde. Brecht hatte das Stück mit 20 Jahren geschrieben und es gibt mehrere Fassungen.

Heute lächelt man müde darüber hinweg, aber 1969 wagte Volker Schlöndorff, der in Hollywood mit einem Filmprojekt keinen Erfolg hatte, etwas neues. Er transferierte die Handlung in die Gegenwart. Das Rezitative von Brecht blieb – bis kleine Änderungen in die zeitgemäße Sprache – vollständig erhalten. Skandalös war für die damaligen Verhältnisse die Inszenierung. Schlöndorff zeigte, welches Leben und Wahrheit in den Textzeilen Brechts steckte und inszenierte seinen modernen „Baal“ nicht auf der Bühne, sondern an realen Orten in und um München.

Baal (Rainer Werner Fassbinder) wird von der Gesellschaft als grandioser Dichter gefeiert und hofiert. Doch anstatt Dankbarkeit zu zeigen, beleidigt er seinen Gönner Mech (Günther Neutze) und fängt ein Verhältnis mit dessen Frau Emilie (Miriam Spoerri) an. Er bestellt sie in eine Kneipe und verlangt von ihr, dass sie sich von einem Farbigen (Günther Kaufmann) küssen lässt. Kellnerin Luise (Hanna Schygulla) hingegen amüsiert sich dabei, sie kennt den Baal bestens. Doch der skrupellose lebenshungrige Dichter geht noch weiter und verführt die minderjährige Freundin Johanna (Irmgard Paulis) seines Freundes Johannes (Marian Seidowski). Sie nimmt sich aus Scham, weil Baal sie zurückweist, das Leben. Das nächste Opfer des Herzensbrechers ist die schöne Schauspielerin Sophie (Margarethe von Trotta). Als sie ein Kind von ihm erwartet, verstößt er sie. Selbst sein bester Freund Ekart (Sigi Graue) kann ihn nicht umstimmen. Baal ist ein unangepasster, einer der nimmt, was ihm gefällt.

In 24 Kapiteln erzählt Volker Schlöndorff seinen „Baal“ radikal und im Geiste der 1968er Bewegung und der sexuellen Befreiung. Der pure cineastische Genuss ist natürlich Rainer Werner Fassbinder in der Rolle des Baal, der ihn perfekt verkörpert und durch die Rolle sehr viel von sich selbst preis gab. Er war hier in seinem Element und im Rückblick versteht man, warum er einer der besten deutschen Regisseure seiner Zeit werden sollte.

 

Text: Nadja Naumann | Bild: Weltkino Filmverleih GmbH
Externer Link: Weltkino Filmverleih GmbH

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