Otto Piene im Museum Tinguely

7.2. – 12.5.2024 | Museum Tinguely

Otto Piene, Testinstallation Olympischer Regenbogen, 1972

Visionen für eine bessere Welt

Immer wieder gab es Zeiten, in denen sich Menschen nach einer besseren Welt sehnten. Auch der Künstler Otto Piene, Jahrgang 1928, träumte diesen Traum und sprengte so die Grenzen der Kunst der Nachkriegszeit. Er forderte einen Neuanfang und setzte mit der Gründung der Gruppe ZERO, gemeinsam mit seinem Künstlerkollegen Heinz Mack, diesen Plan konsequent um. Radikal erneuerte und erweiterte Piene den Kunstbegriff, am Ende gelang ihm sogar der Griff nach den Sternen.

Den Sternenhimmel kannte er gut: Im Zweiten Weltkrieg wurde er 15-jährig als Flakhelfer eingezogen, zu seinen Aufgabe gehörte das Beobachten des nächtlichen Himmels mit dem Ziel, feindliche Flugzeuge zu entdecken und abzuschießen. Den schrecklichen Erfahrungen des Krieges stellte er nach absolviertem Kunststudium Visionen einer besseren, friedvolleren Welt gegenüber. In poetischen Lichtballetten choreografierte er bewegliche Punkte und Muster in einem abgedunkelten Raum und erzeugte so die Illusion eines dunklen Himmels voller funkelnder Sterne.

Licht blieb ein zentrales Element in seinem künstlerischen Schaffen, in seinem Feueratelier stellte er ein brennbares Gemisch aus Lack und Chemikalien her und schuf, brannte, als erster Künstler überhaupt, Arbeiten mit Feuer. Mit Hilfe eines Rastersiebes entstanden monochrome, minimalistische Rasterbilder mit kreis- oder linienförmigen Mustern in den Farben Weiß, Gelb, Gold oder Silber, den Farben der Himmelskörper.

Mit dem Ende von ZERO begann für Piene eine neue Ära in den USA: Von 1968 bis 1994 arbeitete und forschte Piene am Center for Advanced Visual Studies (CAVS) am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge. Dort entdeckte er den Außenbereich und sogar den Luftraum für seine Kunst, die „Sky Art“: Er füllte Ballons und Schläuche mit Helium und ließ sie in die Luft steigen. In einer gemeinsamen, spektakulären Performance mit der Cellistin Charlotte Moorman entwickelte er das Projekt „Sky Kiss“: Moorman spielte ein Konzert in 30 Metern Höhe, wohin sie, an gigantischen Schläuchen befestigt, aufgestiegen war, um ein klangvolles Konzert zu geben, dessen Töne in die Weiten des Himmels und der Landschaft schallten.

Für Piene war die Sky Art durchaus auch ein Mittel der Kommunikation, eine Möglichkeit, auf Probleme wie etwa die Umweltzerstörung gezielt durch Aktionen hinzuweisen. Auch benutzte er starke Symbole wie etwa das des Regenbogens, der für Frieden steht, aber auch eine religiöse Bedeutung hat. Für die Abschlussveranstaltung der Olympischen Spiele in München 1972 ließ er seine bis dahin größte Luftskulptur über dem Stadion schweben: Für „Olympic Rainbow“ wurden fünf 460 Meter lange Schläuche mit Helium gefüllt und mithilfe eines 230-köpfigen Teams in die Lüfte gehoben.

Otto Piene war mit seinem innovativen, eigenständigen Werk seiner Zeit weit voraus, gleichzeitig wirken die Arbeiten zeitlos und sind bis in die heutige Zeit aktuell. Die Ausstellung „Wege zum Paradies“ im Museum Tinguely bietet einen Überblick über zentrale Aspekte von Pienes Lebenswerk. Neben bekannten Arbeiten und Projekten werden in großem Umfang auch Skizzenbücher präsentiert.

Otto Piene. Wege zum Paradies
7.2. – 12.5.2024
Museum Tinguely
Paul Sacher-Anlage 1
CH-4058 Basel
Tel.: +41-61-6819320
Di – So 11 – 18 Uhr, Do 11 – 21 Uhr
Eintritt: 18 CHF, erm. 12 CHF
www.tinguely.ch

Text: Karin Gerwens
Bild: Museum Tinguely
Erstveröffentlichung in kunst:art 96