Der Osten feiert(e) mit Macht

12.01. - 05.05.2024 | Brandenburgisches Landesmuseum Dieselkraftwerk

Christian Borchert, Strassenszene mit Faschingsgesellschaft in Dresden, 1981

Kopfüber im Küchenherd

Bekanntlich tut es gut, zuweilen einmal nach Kräften über die Stränge zu schlagen – ganz besonders, wenn sich das gesellschaftliche Umfeld so ganz der disziplinierten Strenge verschrieben hat. In der DDR nannte man dergleichen (gern alkoholisierte) Vergnügungen „schwofen“: Zum „Großen Schwof“ lädt nun das Brandenburgische Landesmuseum und widmet sich im zugehörigen Dieselkraftwerk Cottbus der Frage: Wie hat der Osten eigentlich gefeiert? Dieser spezielle Bereich des DDR-Lebens ist jedenfalls vermintes Gebiet gewesen, so lässt sich vermuten angesichts der gut 300 Fotografien der Ausstellung, die sich mit dem so privat wie auch gesellschaftlich bedeutsamen Thema befassen. Mehrheitlich stammen sie aus den 1980er-Jahren, also aus der, wie wir im Rückblick sehen, Schlussphase des sozialistischen Deutschlands.

Zwischen dem normierten Grau der staatsoffiziellen Rituale und dem individuellen Lustbedürfnis sind da schon tiefe Gräben aufgebrochen, Teile der Gesellschaft scheinen unerreichbar abgedriftet zu sein: Da sehen wir die Punkerin, die in einem vergammelten Hinterhof in Leipzig kopfüber in einem ausgeräumten Küchenherd steckt, oder in der Stadthalle von Karl-Marx-Stadt das „Kleine Erotikum“ (war das eigentlich ironisch gemeint?). Die zuweilen richtiggehend anarchische Festkultur des „Schwofs“ mit ihrem Versprechen eines irgendwie anderen, freieren Lebens wurde von den Staatsorganen stets argwöhnisch beobachtet.

Der große Schwof Feste feiern im Osten
bis zum 5.5.2024
Brandenburgisches Landesmuseum
Dieselkraftwerk
Uferstr./Am Amtsteich 15
D-03046 Cottbus
Tel.: +49-355-49494040
Di – So 11 – 19 Uhr
Eintritt: 4 €, erm. 3 €
www.blmk.de

Text: Dieter Begemann
Bild: Brandenburgisches Landesmuseum
Erstveröffentlichung in kunst:art 96

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Begemanns Blog: Sternschnuppen An dieser Stelle soll es um ästhetische Sternschnuppen gehen und, wie es die Schnuppen so machen, sollen sie hin und her zischen auf manchmal verblüffenden Kursen – kreuz und quer! Ich konnte (und musste zum Glück mich auch nie) entscheiden zwischen praktisch-bildkünstlerischen und theoretischen Interessen: Ich liebe Malerei und Bildhauerei, begeistere mich für Literatur, bin ein Liebhaber von Baukunst und Design –aber meine absolute Leidenschaft gehört der Gestaltung von Gärten und Autos. Und, eh ich’s vergesse: natürlich dem Film!!