Begemanns Blog | Noch einmal die Kritiker

Zaha Hadid | Architektur

Diese Nähe von Unterhaltung und Unternehmensrepräsentation ist typisch für unsere Zeit, in der sich große Industrieunternehmen zunehmend als Kulturträger darstellen möchten. Und das heißt eben schon lang nicht mehr nur die Unterstützung von Gemäldeausstellungen, Konzerten oder Theater: Avantgardistische Architektur eignet sich offenbar bestens zur Kommunikation der Werte eines zukunftsorientierten modernen Technologiekonzerns. Und so sehr Zaha Hadid stets auf ihrer künstlerischen Autarkie beharrte, so wenig hatte sie da Berührungsängste. Ohnehin konnte man ja sagen, dass die bislang beobachtete strikte und oft ängstliche Trennung von Kultur und Kommerz praxisfremd sei und, nebenbei bemerkt, auch erst eine ziemlich neumodische Erfindung. Dies war eine Art Baukunst, die ganz ungeniert auf Emotion und Überwältigung setzte: Was hätte besser zu einem emotional aufgeladenem Objekt (OK, für manche Menschen emotional aufgeladenem Objekt…) wie einem Automobil gepasst? Freude am Fahren, so der Slogan des Unternehmens, und libidinöse Baukunst: da kam zusammen, was zusammen gehörte, im einen wie im anderen Fall ging es dezidiert um mehr als nur schnöde Zweckerfüllung!

Das konnte gefallen, ja geradezu begeistern, musste aber nicht: Kritiker sahen hier ein ökologisch und sozial abzulehnendes Verkehrsmittel architektonisch aufgerüscht. Auf einer völlig anderen Ebene aber setzte eine Kritik an Zaha Hadids Arbeit an, die sich im Grunde mehr auf die Auftraggeber und die Entstehungsbedingungen dieser spektakulären Bauten richtete als auf diese selbst. Von Hadids Stadion in Qatar war schon die Rede wegen seiner (manchen Betrachtern) anstößigen Form, aber wie stand es um das gesellschaftliche Umfeld dieser Sportanlage? Unter welchen Bedingungen lebten eigentlich die riesigen Arbeiterheere, die auf den Großbaustellen schufteten? Die Antwort auf diese Fragen musste durchaus bedenklich stimmen, nicht weniger als bei den Projekten, welche die Architektin in China errichtete. Das hatte sich seit der Jahrtausendwende ohnehin als Traumland vieler westlicher Großarchitekten herausgemacht, weil hier im großen Stil, mit anscheinend unerschöpflichen Etats und ohne kleinliche Bürokratie gebaut werden konnte. Zaha Hadid realisierte ein Opernhaus in Guangzhou (2010), den Galaxy Soho-Komplex in Peking (2013) und im selben Jahr den Innovation Tower in Hongkong. Diente hier Architektur nicht gerade durch ihre Aufsehen erregende Form dazu, den Blick abzulenken von sozial und politisch fragwürdigen autokratischen Regimes?

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Begemanns Blog: Sternschnuppen An dieser Stelle soll es um ästhetische Sternschnuppen gehen und, wie es die Schnuppen so machen, sollen sie hin und her zischen auf manchmal verblüffenden Kursen – kreuz und quer! Ich konnte (und musste zum Glück mich auch nie) entscheiden zwischen praktisch-bildkünstlerischen und theoretischen Interessen: Ich liebe Malerei und Bildhauerei, begeistere mich für Literatur, bin ein Liebhaber von Baukunst und Design –aber meine absolute Leidenschaft gehört der Gestaltung von Gärten und Autos. Und, eh ich’s vergesse: natürlich dem Film!!

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