Gaaanz groß! – Peter Casagrande besetzt die Kunsthalle Schweinfurt

28.4. – 3.9.2017 | Kunsthalle Schweinfurt

 

von Dieter Begemann //

Üblicherweise hat der Künstler seine Arbeit spätestens mit der Ausstellungseröffnung Eröffnung erledigt, danach ist das Publikum dran mit Schauen. Ganz anders jetzt in der Kunsthalle Schweinfurt. Die zentrale Halle des Baues, eines ehemaligen Schwimmbades aus den 1930ern, das der Industrielle Ernst Sachs seiner Heimatstadt 1949 geschenkt hatte, ist ein nicht ganz einfach zu bespielender Ort: Die Raummaße von knapp 20 x 30 Metern, die gewaltige Höhe von 9 Metern stellen erhebliche Anforderungen an die optische Durchschlagskraft der dort gezeigten Werke. Das Haus, welches seit 2003 nach der endgültigen und gänzlichen Einstellung des Badebetriebs von der Städtischen Galerie bespielt wurde und seit 2009 als Kunsthalle Schweinfurt firmiert, hat mit dem Maler Peter Casagrande offenbar den richtigen Mann gefunden, sich dieser Herausforderung zu stellen. Freilich ist das kein Fall für die künstlerische Heimarbeit – man denke nur an die Transportprobleme und das gewaltige Atelier, das erforderlich wäre, ein für diesen üppigen Platz passendes Werk zu realisieren. Also arbeitete Casagrande unmittelbar vor Ort und das eben nicht vor dem Eröffnungstermin, sondern – und das ist der Clou – im Vorlauf der Ausstellung selbst. Die Besucher wurden so zu Zeugen des künstlerischen Arbeitsprozesses, was sonst nur durch beigeordnete Dokumentationen, Fotos, Filme etc. zu bewerkstelligen wäre.

Man setzt in Schweinfurt auf Superlative und wirbt mit der Frage „Haben Sie schon die weltweit größte Staffelei gesehen?“ und verkündet lauthals: „Sie können live dabei sein!“ Wenn diese Terminologie auch etwas marktschreierisch wirken mag, so ist doch die Öffnung der Grenze zwischen dem Schutzraum des Ateliers und dem öffentlichen Raum der Ausstellung tatsächlich ein wichtiges Anliegen für den Maler: Das Konzept des aus Medien wie Installation und Video schon bekannten Work in Progress ist hiermit in der Malerei angekommen. Peter Casagrande wurde 1946 in Weilheim geboren und studierte an der Münchner Kunstakademie von 1970 bis 1980 (abgesehen von einem Intermezzo in Berlin). Er lebt und arbeitet nun schon seit langer Zeit in Maitenbeth, im ländlichen Raum 40km östlich der Isarmetropole. Seit jeher widmet sich der Maler, der wesentlich von seinem Lehrer Rudi Tröger und dessen farbstarker Expression geprägt wurde, dem Grossen Format, wie es jetzt zum programmatischen Titel der Schweinfurter Schau wurde.

Die Tradition der gestischen Malerei, die weniger etwas (dem Bild Äußeres) darstellen, als vielmehr sich selbst und ihre Prozesshaftigkeit ausstellen möchte, hat Casagrande zu einer Maltechnik greifen lassen, bei der stets Spuren früherer Phasen des Gemäldes hindurchleuchten durch später darüber aufgetragene Schichten. Dies und eben die Tatsache der großen Dimensionen verhilft seiner Malerei zu einer unmittelbar physischen Existenz: Wir schauen nicht auf das Bild, sondern gehen hinein. Bei wandfüllenden Schweinfurter Werk mit seinen 7 mal 10 Metern sollte sich dieser Effekt erst recht einstellen.

 

Text aus der kunst:art 55

 

Peter Casagrande – Das große Format. Aufbrüche und Verwerfungen

28.4. – 3.9.2017

Kunsthalle Schweinfurt, im ehemaligen Ernst-Sachs-Bad

Rüfferstraße 4, D-97421 Schweinfurt

Tel.: +49-9721-514734, Di – So 10 – 17 Uhr, Do 10 – 21 Uhr

Eintritt: 5 €, erm. 4 €

www.kunsthalle-schweinfurt.de

 

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Begemanns Blog: Sternschnuppen An dieser Stelle soll es um ästhetische Sternschnuppen gehen und, wie es die Schnuppen so machen, sollen sie hin und her zischen auf manchmal verblüffenden Kursen – kreuz und quer! Ich konnte (und musste zum Glück mich auch nie) entscheiden zwischen praktisch-bildkünstlerischen und theoretischen Interessen: Ich liebe Malerei und Bildhauerei, begeistere mich für Literatur, bin ein Liebhaber von Baukunst und Design –aber meine absolute Leidenschaft gehört der Gestaltung von Gärten und Autos. Und, eh ich’s vergesse: natürlich dem Film!!

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