Wirklich wahr? – Amerikanische Gegenwartskunst im Museum Frieder Burda in Baden-Baden

9.12.2017 – 21.5.2018 | Museum Frieder Burda

 

von Julia Behrens //

 

Ein hoher, schwarzer Monolith, zwei Flugzeuge, die von links und rechts darauf zusteuern und schwarzer Rauch, der den Himmel bedeckt: Obwohl das Triptychon „The Haunting“ von Robert Longo keine reale Szene umreißt, weiß sofort jeder, um was es geht. Die Bilder von den Anschlägen des 11. September 2001 haben sich so sehr ins kollektive Gedächtnis gefräst, dass es nur weniger Zeichen bedarf, um an die Ereignisse zu erinnern. Das 2007 entstandene Werk ist ein Schlüsselbild in der großen Ausstellung „America! America! How real is real?“ im Museum Frieder Burda in Baden-Baden. Denn 9/11 erschüttert nicht nur die Vereinigten Staaten und die Welt. Es leistet auch zahlreichen Verschwörungstheorien Vorschub und lässt viele an der Wahrheit der gängigen dazu veröffentlichten Informationen zweifeln.

Gerade aber angesichts der jüngsten Entwicklungen im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ wird klar, wie kompliziert der politische und mediale Umgang mit „reality“ und „truth“ innerhalb einer demokratisch strukturierten Gesellschaft sein kann. Anlass genug für den Direktor des Museums, Helmut Friedel, die amerikanische Kunst der letzten 50 Jahre nach ihrer eigenen Auseinandersetzung mit der stark vom Konzept des „American Dream“ gesteuerten Lebenswirklichkeit in den Staaten neu zu befragen. Bedeutende Werke aus der eigenen Sammlung hat er dazu mit zahlreichen Leihgaben zu einer interessanten Schau von über 70 Exponaten zusammengesetzt.

Den Auftakt bestreitet Andy Warhol, der sich in den 1960er Jahren nicht nur mit dem schönen Schein der Konsumwelt befasst, sondern auch mit der dunklen und tragischen Seite der amerikanischen Gesellschaft, indem er im Großformat Rassenkonflikte, Todeszellen und Unfalltote auf die Leinwand bringt. Seine farbigen Blow Ups von Zeitungsfotos führen nicht zuletzt auch die schonungslose und voyeuristische Vorgehensweise der Printmedien seiner Zeit vor. Aus dem Bereich der Pop Art sind außerdem Roy Lichtenstein, James Rosenquist, Tom Wesselmann und Alex Katz mit prominenten Werken vertreten. Im Gegensatz zu deren Arbeiten, die die Hochglanzwelt aus Werbung und Comic in die Kunst überführen und diese dort meist kommentarlos stehen lassen, lesen sich die Positionen einer jüngeren Generation von Künstlern gesellschaftskritischer: Während Bruce Nauman in einem Video eine in Aggression ausartende Begegnung zwischen Mann und Frau inszeniert, setzt Robert Longo in seinen beeindruckend großen Schwarz-Weiß-Zeichnungen Waffen oder Atompilze ins Bild. Nan Goldin dokumentiert auf erschütternde Weise das Sterben eines Aidskranken und Cindy Sherman verkleidet sich in ihren Fotos unter anderem als Hure oder Heilige und entlarvt im weiteren Sinn die in Amerika vorherrschende Ambivalenz von Sexismus und Prüderie. Man blickt tatsächlich anders auf viele dieser zum Teil ja sehr bekannten Werke und fragt sich, wie die darin aufscheinenden Aspekte sich zu der heute vorherrschenden „Realität“ in den Staaten verdichten konnten.

 

America! America! How real is real?
9.12.2017 – 21.5.2018 , Museum Frieder Burda
Lichtentaler Allee 8 b, D-76530 Baden-Baden
Tel.: +49-7221-398980
Di – So 10 – 18 Uhr
Eintritt: 13 €, erm. 11 €
www.museum-frieder-burda.de

 

Text aus der kunst:art 59

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