Wege ins Freie

6.12.2018 – 28.4.2019 | Leopold Museum

Ferdinand Georg Waldmüller, Unterbrochene Wallfahrt („Die kranke Pilgerin“), 1858 (Foto Leopold Museum, Wien/Manfred Thumberger)

Liest man die Überschrift, könnte man meinen, es handle sich wohl um eine gewisse Art von Darstellung eines geistigen Freiheitsdrangs, illustriert durch bildnerisches Ringen um persönliche oder allgemeine Freiheit. Doch der Untertitel dieser Ausstellung lautet: „Von Waldmüller bis Schindler“. Womit klar eingegrenzt wird, was gemeint ist.

Der Kurator der Schau, Ivan Ristic vom Leopold Museum Wien, wählte als Ausgangspunkt für die Schau die Malerei des Vormärz, also jener Zeit in Österreich vor dem Revolutionsjahr 1848. Damals vollzog sich der Rückzug des Bürgertums ins Innere, in die Häuslichkeit, ins Private. Ein Ausdruck dessen waren die Schubertiaden der damaligen Zeit, wo nur in kleinen Gruppen Hausmusik praktiziert wurde. Repressalien einer allumfassenden Zensur der Regierenden waren an der Tagesordnung.

Doch gilt das Hauptaugenmerk dem österreichischen „Stimmungsrealismus“. Insgesamt werden 85 Werke unterschiedlichster Provenienz aus dem Schatz der Sammlung Leopold gezeigt, darunter 69 Ölgemälde, zehn Aquarelle und Mischtechniken auf Papier und sechs Fotografien. Zur Intention und Idee der Schau sei der Kurator Ivan Ristic selbst zitiert: „Die Maler und Malerinnen des österreichischen Stimmungsrealismus fanden zu individuellen, teils höchst eigenwilligen Lösungen. Häufig auch als Stimmungsimpresssionisten bezeichnet, huldigten sie im Zeitalter der Industrialisierung der unberührten Natur, sensibilisierten das Auge des Betrachtenden für die Poesie des Gewöhnlichen und schufen klare Gegenentwürfe zur pompösen Malerei des Historismus.“ Mit dem Begriff „pompöser Historismus“ trifft Ristic den Nagel auf den Kopf: Die Maler und Malerinnen der wirklich sehenswerten Bilder sind Emil Jakob Schindler, Tina Blau, Theodor von Hörmann, Eugen Jettel, August von Pettenkofen, Rudolf Ribarz, Anton Romako, Robert Russ und weitere Künstlerinnen und Künstler, im allgemeinen Freiluftmaler, weit abhold jeglichem Historismus.

Was macht nun den Reiz dieser im Grunde rein österreichischen Präsentation aus? Am Anfang steht Ferdinand Georg Waldmüller. Er setzte sich als Professor an der Wiener Kunstakademie 1846 – also noch immer im „Vormärz“ – für „ein Studium der Natur bei vollem Licht“ ein, sozusagen direkt vor Ort, draußen, nicht im Atelier. So entstand eine erste wirkliche Blüte der Aquarellmalerei, man denke nur an Rudolf von Alt, der Waldmüllers Ideen direkt umsetzte. Ihm folgte der 1842 in Wien geborene Emil Jakob Schindler.

Der an der Akademie ausgebildete Landschaftsmaler sah bei einer Ausstellung in München Werke der Maler Camille Cortot und Gustave Courbet, Künstler der sogenannte Paysage intime, also genau jener offenen Malerei, die man in Österreich anstrebte. Schindler sammelte durch Privatunterricht einen Kreis vor allem ambitionierter Malerinnen um sich, denn Frauen war der Besuch der Akademie im 19. Jahrhundert nicht möglich. Zu seinem Kreis gehörten Tina Blau, Olga Wisinger-Florian und auch Marie Egner.

Erwähnenswert bei dieser Ausstellung ist wohl auch noch die Präsentation der Wechselwirkung zwischen der um etwa 1850 aufkommenden Fotografie und den Malerinnen und Malern, von denen etliche sich dem neuen Medium zuwandten und somit Themen und Kompositionen der Malerei modifizierten.

Dr. Michael Nießen ist Kunsthistoriker und seit vielen Jahren im Wiener Kulturmanagement tätig.

Wege ins Freie. Von Waldmüller bis Schindler
6.12.2018 – 28.4.2019
Leopold Museum
MuseumsQuartier
Museumsplatz 1
A-1070 Wien
Tel.: 43-1-525702645
Mo + Mi – So 10 – 18 Uhr, Do 10 – 21 Uhr
Eintritt: 13 €, erm. 8 – 9,50 €
www.leopoldmuseum.org

 

Autor: Dr. Michael Nießen, Bild: Leopold Museum
Erstveröffentlichung in kunst:art 65