In einer Phase der Entwicklung der Architektur, in der einerseits eine endlos wiederholte und vor allem gnadenlos kostenoptimierte Rastermoderne endgültig öde geworden – das hübsche Stichwort vom „Bauwirtschaftsfunktionalismus“ machte die Runde – und andererseits die Postmoderne mit ihren Stilzitaten schon nach kurzer Laufzeit zum Gemütsmobiliar nach Investorenart heruntergekommen war, vor diesem Hintergrund also wurden die Bauten von Zaha Hadid völlig zu Recht als Sensation wahrgenommen. Ihre Baukunst war von radikalem Formwillen bestimmt und, ganz gleich ob die Architektin dabei auf extreme Splittergeometrie setzte oder auf biomorphe Rundungen – in der Regel aber auf beides zugleich oder vielmehr im spannenden Dialog -, dahinter stand ein im Grunde bildkünstlerisches Denken. Vom (schwierigen) Beginn ihrer Karriere war bereits kurz die Rede: Bevor im Folgenden etwas genauer in Zaha Hadids Biographie geschaut werden soll, noch einige wichtige Vorläufer. Eine Architektur als große Plastik: Neben Corbusiers später Wallfahrtskirche in Ronchamp wären hier zwei Bauten im deutschen Sprachraum zu nennen, die zeitlich ganz dicht beieinander, einen plastisch durchgebildeten Baukörper aufwiesen. Der eine ist das von Rudolf Steiner als Mastermind (und zahlreichen anderen Beiträgern) in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre im schweizerischen Dornach errichtete Goetheanum, der andere der schon 1920/21 von Erich Mendelsohn gebaute Einsteinturm in Potsdam. Dass, nebenbei bemerkt, in beiden Fällen mit der Namensgebung berühmte Wahlverwandte, der Dichter und der Physiker, beschworen und so prägnante „Marken“ geschaffen werden, verweist auf den umfassenden Anspruch beider Architekturen in einer sich zunehmend kommerzialisierenden Welt: Sie wollten Aussagen sein, nicht nur neutrale Hüllen für Zwecke!
Die Formsprache ist gleichfalls in beiden Fällen ähnlich, skulpturale Volumina werden von unregelmäßig eingeschnittenen Fenster- und Türöffnungen durchbrochen. Diese programmatische Abkehr von der hergebrachten tektonischen Schematik von Tragen und Lasten, hin zu einer Organizität, war allerdings technisch alles andere als einfach. Mendelsohn konnte die ursprünglich geplante – und der Form adäquate – Gußtechnik in Beton nicht zum Einsatz bringen, sondern musste, nach gescheiterten Experimenten, auf eine im Grunde konventionelle Mauertechnik (mit einigen kleineren Betonelementen) zurückgreifen. Die Oberfläche wurde im Nachhinein mit Verputz umkleidet, um die angestrebte expressionistische Qualität zu erreichen. Beim Goetheanum hingegen konnte durch den Einsatz einer sehr aufwendigen, kleinteiligen Schalung und einer in den gegossenen Beton integrierten Stahlarmierung tatsächlich so gebaut werden, wie es der ästhetische Eindruck nahe legte.
Text: Dieter Begemann | Bild: Charlotte Fischer
Externer Link: Goetheanum
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