von Dieter Begemann //
Wer mit Japan bislang nur die Vorstellung einer Gesellschaft verbindet, die sich mit ihrer effizienten Industrieproduktion synonym ist, der sollte jetzt den Weg, nein, nicht gleich nach Japan, sondern erst einmal ins Bremer Überseemuseum nehmen! Denn das schöne Haus gleich neben dem Hauptbahnhof hat aus seinen reichen Sammlungsbeständen eine Schau zusammengestellt, die ganz gezielt die japanische Freizeitkultur ins Auge fasst: Cool Japan erweist sich als ein aufwändig inszenierter, vergnüglicher Parcours.
Derzeit das bekannteste Phänomen japanischer Populärkultur dürften wohl die Mangas sein, Zeichengeschichten, deren großäugig kindhaft schematisierte Figuren die wildesten Abenteurer im Großstadtdschungel bestehen – oder auch in der glorreichen Samuraizeit. Krimis oder Sport, Raumfahrt oder Porno: Manga geht immer! Die vor dem Zweiten Weltkrieg aus der Adaption westlicher Comics entstandene und heute längst eigenständige Gattung macht einen gewaltigen Anteil japanischer Printerzeugnisse aus – und ist natürlich auch anzutreffen in der „hohen“ Kunst! Die Grenze ist in der Tat schwer zu ziehen, denn ebenso wie heute freie Künstler im munteren Crossover sich bei den Mangas bedienen, so findet sich die betonte Großäugigkeit wie auch das Element der Sprechblase schon bei Farbholzschnitten des 19. Jahrhunderts.
In diesen Zusammenhang gehören auch die Animes, die zumeist auf den gezeichneten Geschichten basieren. Der erste japanische Zeichentrickfilm dieses Genres, der auch im Westen für Aufmerksamkeit sorgte, war schon 1985 Akira. Eine Erfolgsgeschichte also: So stammen ungeachtet der Sensationserfolge der US-amerikanischen Pixar-Filme 60 Prozent der weltweit gezeigten Zeichentrickfilme aus Japan. Videos und Computerspiele bedienen sich gleichfalls der so charakteristischen Bildsprache. Die moderne Populärkultur Japans erweist sich, bei aller uns manchmal befremdlich erscheinenden Konventionalität im gesellschaftlichen Miteinander, als hochgradig lebhaft und kreativ.
Den Bremer Ausstellungsmachern geht es aber, bei allem aktuellen Unterhaltungswert, auch um die historische Tiefendimension. Ein Schwerpunkt ist hier die Edo-Zeit (1600-1868), in der eine blühende bürgerliche Kultur entstand. Eine vielschichtige Theaterszene bildete sich, in der neben den noch feudal geprägten strengen Formen des Nō-Theaters das volkstümlichere Kabuki-Theater mit seinem ausgeprägten Starkult entstand, der sich zur Fan-Bindung des Massenmediums Holzschnitt in effektvollster Form bediente. Auch der Besuch eines Geishahauses gehörte zu den typischen Vergnügungen dieser Epoche. Kultivierte Genüsse anderer Art verschaffte im sicherer gewordenen Land die wachsende Reisetätigkeit, ebenso wie die saisonalen Feste. Schon damals galt es, eine Balance von Konformität und Individualität zu finden, eine Balance, die heute freilich anders ausfällt als im 19. Jahrhundert: Japan via Bremen ist allemal eine lohnende Reise!
Cool Japan – Trend und Tradition
bis zum 1.5.2018, Übersee-Museum Bremen
Bahnhofsplatz 13, D-28195 Bremen
Tel.: +49-421-160380
Di – Fr 9 – 18 Uhr, Sa + So 10 – 18 Uhr
Eintritt: 6 €, erm. 5 €
www.uebersee-museum.de
Text aus der kunst:art 60
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