Frankfurter Museen zum Thema Provenienz

Historisches Museum Frankfurt | Museum Angewandte Kunst | Museum Judengasse | Weltkulturen Museum

Reisebesteck im Etui, Augsburg, 1773-1777 (Foto Anja Jahn)

von Ninja Elisa Felske //

In den deutschen Museen wird er seit einigen Jahren verstärkt gewagt: Der schonungslose Blick auf die eigene Sammlung, auf deren Wurzeln und Genese. Diverse Dekaden lang wurde die Frage vielerorts lieber vermieden, wie die einzelnen Artefakte ihren Weg in die Sammlung gefunden haben und ob die unaussprechlich-monumentalen Kunstraube des NS-Regimes und die Verbrechen des Kolonialismus vielleicht den einen oder anderen Weg bestimmt haben könnten. Erst internationale Schlagzeilen, wie die des Falls Gurlitt, haben das Thema Provenienz, dessen Wichtigkeit wie Brisanz schon lange offenkundig war, populärer gemacht und gewiss die Bewilligung von Forschungsgeldern begünstigt.

In Frankfurt am Main widmen sich in diesem Sommer gleich mehrere Museen dem Themenkomplex aus den verschiedenen Perspektiven ihrer jeweiligen Sammlung. Im Historischen Museum Frankfurt, das mit seiner neuen Ausstellungshalle seit 2017 in frischem Glanz erstrahlt, spürt die Ausstellung „Geerbt, gekauft, geraubt? – Alltagsdinge und ihre NS-Vergangenheit“ den Erbstücken von Privatpersonen nach. Ein Klavier, ein Geschirr-Service oder das alte Silberbesteck – nicht immer ist die Herkunft von Erbstücken innerhalb einer Familie gänzlich nachvollziehbar. Die Präsentation im Stadtlabor flankiert damit die Ausstellung „Legalisierter Raub. Der Fiskus und die Ausplünderung der Juden in Hessen 1933–1945“ des Fritz-Bauer-Instituts und des Hessischen Rundfunks, die nach einer umfassenden Tournee ab Mitte Mai in Frankfurt ihre letzte Station hat.

Auch das Museum für Angewandte Kunst (MAK) unterstützt das Gemeinschaftsprojekt und untersucht exemplarisch die Geschichte der Sammlung Pinkus/Ehrlich: Die Ausstellung „gesammelt, gekauft, geraubt? Vom Weg der Dinge ins Museum“ arbeitet detailliert von den Nationalsozialisten beschlagnahmte Silbergegenstände des jüdischen Sammlers Joseph Pinkus beziehungsweise seiner Erbin Hedwig Ehrlich (geb. Pinkus) auf und ist somit ein Teilergebnis der seit 2016 intensiv betriebenen Provenienzforschung des MAK. Diese widmet sich all jenen Werken, die damals von den Museumsakteuren bei einschlägigen deutschen, französischen und niederländischen Kunsthandlungen gekauft und bei Auktionshäusern ersteigert wurden – bisher wurden bereits über 2.000 Objekte mit ungeklärten Provenienzen gefunden.

Das Weltkulturen Museum indes erweitert den Ansatz gemäß seiner Sammlung und arbeitet neben Fallbeispielen aus nationalsozialistischem Kontext auch unklare Erwerbsgeschichten kolonialer Herkunft auf. Denn manch günstiger Ankauf auf dem europäischen Kunstmarkt barg das Risiko, in Übersee alles andere als rechtmäßig erworben zu sein. Indes blickt das Museum Judengasse weiter zurück mit einer Kabinettpräsentation, die anhand einzelner Objekte sowohl die Geschichte des einstigen Museums Jüdischer Altertümer als auch die Plünderungen jüdischen Kulturguts in der Frühen Neuzeit thematisiert.

So bieten die Frankfurter Museen von Sommer bis Herbst dieses Jahres die Möglichkeit, mehrdimensionale Einblicke in ein Themenfeld zu erlangen, über das viel zu lange geschwiegen wurde.

 

Geerbt. Gekauft. Geraubt? Alltagsdinge und ihre NS-Vergangenheit
ab dem 17.5.2018
Historisches Museum Frankfurt
Saalhof 1 (ehemals Fahrtor 2)
D-60311 Frankfurt am Main
Tel.: +49-69-21235154
Di – Fr 10 – 18 Uhr, Mi 10 – 21 Uhr, Sa + So 11 – 19 Uhr
Eintritt: 8 €, erm. 4 €
www.historisches-museum-frankfurt.de

Geraubt. Gesammelt. Getäuscht. Die Sammlung Pinkus/Ehrlich und das Museum Angewandte Kunst
7.6. – 14.10.2018
Museum Angewandte Kunst
Schaumainkai 17
D-60594 Frankfurt
Tel.: +49-69-21244539
Di – So 10 – 18 Uhr, Mi 10 – 20 Uhr
Eintritt: 12 €, erm. 6 €
www.museumangewandtekunst.de

Geraubt. Zerstört. Zerstreut. Zur Geschichte von jüdischen Dingen in Frankfurt
17.5. – 14.10.2018
Museum Judengasse
Battonnstr. 47
D-60311 Frankfurt am Main
Tel.: +49-69-21270790
Di 10 – 20 Uhr, Mi – So 10 – 18 Uhr
Eintritt: 6 €, erm. 3 €
www.juedischesmuseum.de

Gesammelt, Gekauft, Geraubt? Fallbeispiele aus kolonialem und nationalsozialistischem Kontext
16.8.2018 – 27.1.2019
Weltkulturen Museum
Schaumainkai 29-37
D-60594 Frankfurt am Main
Tel.: +49-69-21231510
Di – So 11 – 18 Uhr, Mi 11 – 20 Uhr
Eintritt: 7 €, erm. 3,50 €
www.weltkulturenmuseum.de

 

Erstveröffentlichung in kunst:art 61.