Unendlich viele Ausdrucks-Splitter. Glas als künstlerisches Medium im Schafhof

Schafhof – Europäisches Künstlerhaus Oberbayern | 20.10. – 2.12.2018

Ulrike Riede, Kubus Nr.9, 2009

von Julia Behrens //

Transparenz, Eleganz und Schutz, Zerbrechlichkeit und Gefahr: Mit dem Material Glas verbinden sich – gerade im Alltagskontext – erstaunlich gegensätzliche Assoziationen und Gefühle. Grund für Eike Berg, den Leiter des Europäischen Künstlerhauses Oberbayern in Freising, dem ambivalenten Werkstoff im Rahmen seines diesjährigen Ausstellungsmottos „Emotionen“ eine Schau zu widmen.

Unter dem Titel „Fragile! Künstlerische Konzepte mit Glas“ präsentieren Künstlerinnen und Künstler aus München, Stuttgart und Berlin das Material in ganz neuen Zusammenhängen – als Installationsbestandteil, als Skulptur oder auch als unorthodoxen Bildgrund. Denn die Kuratoren Erika Wäcker-Babnik und Stefan Graupner haben gezielt solche Positionen ausgewählt, die – im Gegensatz zum Kunsthandwerk – auf einer intensiven, experimentellen Auseinandersetzung mit den vielschichtigen Eigenschaften von Glas basieren.

Mit brachialer Gewalt und Vorschlaghammer attackiert zum Beispiel der Bildhauer Till Augustin in seinem Video „GlasHass“ von 2015 einen Turm aus dicken Floatglas-Scheiben, den er zuvor selbst gebaut hat. Brocken und Splitter fliegen durchs Atelier und der Künstler muss seine gesamte Körperkraft einsetzen, um die raumhohe Stele zum Einsturz zu bringen. Auch die Künstlerin Essi Utriainen befasst sich mit dem eigentlich durch Makellosigkeit und Glätte charakterisierten Glas in zerborstenem Zustand: Ihre Installation aus Scherben versinnbildlicht Instabilität und Zerstörung. Auf andere Weise deformiert wirken die Plastiken von Wilken Skurk, der eigene Stahlformen extern mit flüssigem Kristallglas befüllen lässt, um dieses dann in abgekühlter Verfassung mit den jeweiligen Gussgefäßen zu symbolhaften Gebilden zu verschränken.

Grenzen der Fragilität lotet Sanni Findner aus, indem sie geschnittene, hauchdünne Glasstäbe sowie deren Schatten zu filigranen Zeichnungen im Raum komponiert. Immer wieder geht es um die immaterielle Anmutung von Glas, zum Beispiel in den Arbeiten des Franzosen Thierry Boissel, der mit seinen oft auch im öffentlichen Raum platzierten, bemalten Glaswänden unterschiedliche Aspekte von Transparenz aufgreift.

Auch für die Malerin Monika Huber und den 2016 verstorbenen Künstler Andreas Horlitz ist das Wechselspiel von Aufsicht und Durchsicht des Glases von Bedeutung. Sie nutzen es als Träger für ihre Darstellungen, die sie in externen Glaswerkstätten realisieren lassen, und ziehen dabei auch die Reflexionsfähigkeit des Materials in Betracht. Der jeweilige Lichteinfall spielt für Ulrike Riede ebenfalls eine große Rolle: Er ist ein wichtiger Bestandteil ihrer Glasobjekte und lässt die farbigen Elemente im Innern auf abwechslungsreiche Weise aufleuchten. Monika Humm integriert in ihre Installation schließlich die lichtbrechende Funktion des Werkstoffs in Form einer Linse, mit der sie Projektionen an die Wand wirft. Alf Setzer ist der einzige, der Glas als „objet trouvé“ einsetzt und aus Brennstoffröhren ein „Brennstablager“ errichtet.

Fragile! Künstlerische Konzepte mit Glas
20.10. – 2.12.2018
Schafhof – Europäisches Künstlerhaus Oberbayern
Am Schafhof 1
D-85354 Freising
Tel.: +49-8161-146231
Di – Fr 14 – 19 Uhr, Sa + So 10 – 19 Uhr
Eintritt frei
www.schafhof-kuenstlerhaus.de

Erstveröffentlichung in kunst:art 63
Text: Julia Behrens | Bild: Schafhof – Europäisches Künstlerhaus Oberbayern