Jeder Fluss ist Resultat bestimmter geologischer Verhältnisse, zugleich aber soziales, wirtschaftliches, militärisches Agens. Abgesehen sicher vom Rhein ist wohl kaum irgendwo sonst in unserem Blickfeld dieses Spannungsfeld so kompliziert, so emotionsgeladen wie im Fall der Oder. Im Pommerschen Landesmuseum haben wir nun Gelegenheit, uns selbst auf die Reise zu oder vielmehr auf diesem Fluss zu begeben. Götz Lemberg zeigt mit seinen „ODER-CUTS“ den Fluss als Landschaft wie als geschichtliches Palimpsest: Immer wieder hat hier die Geschichte einen obsolet gewordenen Text neu überschrieben, von den Kämpfen diverser Dynastien, Reiche und Nationalstaaten bis zum Beitritt Polens zur EU, der die Oder von einer Demarkationslinie zu einer Lebensader mitten in Europa machte.
Lemberg ist ein langsamer Fotograf, der jedem noch so gut gesehenen Einzelbild, dem Schnappschuss gar, misstraut: Sein Medium ist die Abfolge Hunderter von Fotos entlang des Flusses, eine Art von lichtbildnerischem Storyboard. Und so führt uns die Reise auf dem Strom ganz allmählich unter weiten Himmeln voller Sonne oder dräuender Gewitterwolken durch eine wunderschöne Landschaft, wir begegnen Frachtkähnen und Befestigungen – solchen gegen das Wasser und solchen gegen den Nachbarn. Die Ausstellung wird aus Greifswald im kommenden Frühjahr nach Potsdam weiterreisen, schließlich im Herbst nach Breslau. Ein deutsch-polnischer Katalog dokumentiert die fotografische Flussfahrt.
Götz Lemberg. O_D_E_R-CUTS. Porträt einer Grenz.Fluss.Landschaft
18.11.2022 – 26.3.2023
Pommersches Landesmuseum
Rakower Str. 9
D-17489 Greifswald
Tel.: +49-3834-83120
Di – So 10 – 17 Uhr
Eintritt: 8 €, erm. 6 €
www.pommersches-landesmuseum.de
Text: Dieter Begemann
Bild: Pommersches Landesmuseum
Erstveröffentlichung in kunst:art 88