Zum Auftakt der Feierlichkeiten rund um den hundertsten Geburtstag von Eduardo Chillida im Jahr 2024 findet die erste monografische Ausstellung des baskisch-spanischen Bildhauers in Österreich statt. Zusammen mit seinem Team setzt der Direktor der Kunsthalle Krems Florian Steininger mit der Chillida-Ausstellung weitere Schritte, um diesen Standort in Niederösterreich als „must-visit“ Ausstellungs-Hotspot zu etablieren.
Eduardo Chillida, der Meister der Schmiedekunst monumentaler Objekte aus Eisen und Stahl, arbeitete auch mit Alabaster, Terrakotta, Filz und Papier. Der Titel der Ausstellung, „Gravitation“, leitet sich von den filigranen Objekten aus handgeschöpftem Papier ab, die Chillida in den 1980er-Jahren zu schaffen begann. Diese Werke, die sich an der Schnittstelle zwischen Chillida als Bildhauer und Chillida als Zeichner befinden, ermöglichten es dem Künstler, die Aufhebung der Schwerkraft und die Überwindung von Limits zu demonstrieren. Die „Gravitaciones“ sind Wegweiser und Marker, die ihre Betrachtenden in Chillidas minimalistische, fast in sich gekehrte mystische Welt führen. Eine Welt, die ein Publikum, das an seine riesigen Metallplastiken und Kunstwerke im öffentlichen Raum gewöhnt ist, vielleicht nicht leicht wahrnehmen kann. Diese Werke, die, aus Papier gepresst und zu Reliefs geformt, an dünnen Fäden von der Wand weg hängen und in ihrem Verhältnis zueinander fein ausbalanciert sind, wurden von dem Kunsthistoriker Kosme de Barañano als Chillidas „Kammermusik“ bezeichnet. Sie stehen also im Gegensatz zu den „großen Orchestern“, die er in mächtigen Stahlgießereien dirigierte.
Eduardo Chillida war Profifußballer in der spanischen La Liga, bevor ihn Verletzungen dazu veranlassten, neue Wege in seinem Leben zu suchen. Er studierte Architektur und Kunst in Madrid, brach sein Studium ab und zog nach Paris, wo er 1948 ein Atelier eröffnete. Er war mit Künstlern wie Alberto Giacometti, Alexander Calder und Joan Miró befreundet. Der Literatur-Nobelpreisträger Octavio Paz wurde von Chillida inspiriert, ebenso wie Denker und Philosophen aus aller Welt. Die Freiheit, die Menschlichkeit, die Familie, die Natur, die Einheit – all das kommt in den Werken von Eduardo Chillida zum Ausdruck, wie in seiner Skulptur „Berlin“ (2000) vor dem Bundeskanzleramt zum Gedenken an die deutsche Wiedervereinigung nach dem Kalten Krieg oder in seinem großartigen „Peine del Viento XV“ (“Windkamm XV”), der seit 1976/77 in San Sebastián im spanischen Baskenland in die Felsen am Meer eingefasst ist. Diese klaffenden metallenen Klammern, offen für die Elemente, offen, um das Meer und den Himmel zu umarmen, sind aber auch offen für uns am Land, als Vermittler zwischen all unseren menschlichen Hoffnungen und Bedürfnissen und dem Unendlichen, der Weite und der mit Worten nicht fassbaren Befreiung, die für jeden von uns verfügbar ist. Dieser umfangreiche museale Einblick in das Œuvre von Eduardo Chillida ist eine deutliche Bereicherung unseres Verständnisses der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts.
Dr. Renée Gadsden ist Mitglied der Gesellschaft der Freunde der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, der Österreichischen Gesellschaft der Denkmalfreunde und der Wiener Kreis Gesellschaft-Institut Wiener Kreis.
Eduardo Chillida. Gravitation
29.4. – 24.9.2023
Kunsthalle Krems
Museumsplatz 5
A-3500 Krems an der Donau
Tel.: +43-2732-908010
Di – So 10 – 18 Uhr
Eintritt: 12 €, erm. 10 €
www.kunsthalle.at
Text: Dr. Renée Gadsden
Bild: Kunsthalle Krems
Erstveröffentlichung in kunst:art 91