Durch die christliche Tradition zieht sich die Vorstellung, dass es jenseits der gewöhnlichen, sozusagen routinemäßigen Fehlerhaftigkeit des Menschen auch besonders üble Fehltritte gibt. Die Todsünden sind schwerwiegende Vergehen, bei denen die Gemeinschaft zwischen Geschöpf und Schöpfer bewusst aufgekündigt wird. Ihre symbolische Siebenzahl: Hochmut, Geiz, Ausschweifung, Zorn, Gefräßigkeit, Neid und Trägheit.
Nun stellt sich natürlich in Zeiten nach dem Ende der gesellschaftlichen Verbindlichkeit des christlichen Wertekanons die Frage, ob und was Zeitgenossen heute mit diesen schweren moralischen Geschützen noch anfangen können. Die Kunsthalle Krems in Niederösterreich hat nationale und internationale Künstler, Musiker und Autoren eingeladen, sich mit dem Thema zu befassen. Unbedingt relevant, handelt es sich hier schließlich um existenzielle Kategorien, die undogmatisch und überkonfessionell zu bedenken sind. Und weiter, durchaus brisant: Gibt es Kulturen übergreifende moralische Universalien? Die Mexikanerin Teresa Margolles blickt auf menschliche Tragödien, auch Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller schaut hin. Julia Belova aus Russland sucht Antworten in ihren neubarocken Plastiken. Von überraschendem Humor dagegen angesichts des schwerwiegenden Themas sind die Zeichnungen Dan Perjovschis aus Rumänien. Weitere Positionen gesellen sich hinzu, die sich am anspruchsvollen Spagat zwischen Moral (auch ohne Theologie) und Kunst versuchen.
7 Todsünden. Aktuelle Kommentare
14.10.2023 – 1.4.2024
Kunsthalle Krems
Museumsplatz 5
A-3500 Krems an der Donau
Tel.: +43-2732-908010
Di – So 10 – 17 Uhr
Eintritt: 12 €, erm. 10 €
www.kunsthalle.at
Text: Dieter Begemann
Bild: Kunsthalle Krems
Erstveröffentlichung in kunst:art 94