Fokussiert auf Engel

7.10.2023 – 21.1.2024 | Zentrum Paul Klee

Das Zentrum Paul Klee hat sich zu etwas Gewagtem entschlossen und präsentiert den weltberühmten Künstler themenbezogen in der Dauerausstellung. So richtig einordnen lässt sich das Werk von Paul Klee (1879–1940) in den Mainstream der Kunstrichtungen seiner Zeit nicht wirklich. Dafür war der Künstler zu sehr Einzelgänger und Individualist. Klee kam von einer Ausbildung in der Grafik, die sein Werk selbst dann weiter bestimmte, als er zu malen begann. Das tat er erstmals auf der dreiwöchigen Studienreise nach Tunis im Frühjahr 1914 mit August Macke und Louis Moilliet.

Den Anfang der neuen Konzeption der Sammlung Klee macht das Motiv des Engels, ein Wesen zwischen Gott und Mensch, das im Schaffen des Künstlers einen festen Platz hatte. Mit seinen Flügeln hängt der Engel symbolisch gesehen zwischen dem irdischen und überirdischen Leben. Ein Bote, der dem Menschen näher ist als Gott selbst, weil er nicht perfekt ist. Zu ihm fühlt sich der Mensch hingezogen, in guten wie in schlechten Zeiten.

Die Engel bei Paul Klee tragen höchst menschliche Züge. Mal sind sie vergesslich, keine liebreizenden Schönheiten wie sonst gängig, höchst kindisch oder zuweilen richtig teuflisch. Klees Engel hinterfragen zugleich Religion und Glaubensfragen und stehen diesen skeptisch gegenüber.

Die meisten seiner Engelsdarstellungen schuf Klee in seinen letzten Lebensjahren von 1938 bis 1940, in denen er gesundheitlich schwer angeschlagen war und der Beginn des Zweiten Weltkriegs sein Leben überschattete. Seine geflügelten Himmelswesen spiegeln Sorge, Angst und Hoffnung wider. Moralisch verwischt der Künstler die Linie zwischen Gut und Böse und bringt sie für sich in ein Gleichgewicht. Er gesteht seinen Engeln unmoralische Dinge zu und zweifelt damit bewusst ihre vermeintlich saubere Weste an. Künstlerisch hervorragend umgesetzt begeistern insbesondere die mit einfachen Strichen aufs Papier gebrachten Engel.

Die Schau lädt ein, in rund achtzig Werke der Sammlung tiefer einzutauchen und den Kosmos Klee besser kennenzulernen. Dabei greift man auf die Schätze des Archivs der Sammlung zurück. Mit analogen und digitalen Vermittlungsformaten, die laufend weiterentwickelt werden, können die Besucher die Welt des Paul Klee erkunden.

Mit der neuen Serie „FOKUS“ versteht es das Haus, Spannendes und Wissenswertes aus dem Leben des Künstlers mit den Werken sehr unterhaltsam zu vermischen. So gesehen findet eine Verortung der Werke Klees statt, die keineswegs starr und unbeweglich dem Faden der Kunstgeschichte folgen, sondern lebendig werden.
Das Format ist so konzipiert, dass nicht nur Werke von Paul Klee in den Fokus rücken, sondern auch Arbeiten von Kunstschaffenden aus der ganzen Welt. Damit schließt sich der Kreis gekonnt, denn ein Paul Klee hätte ohne seine Reisen vielleicht nie die Inspiration zum Malen bekommen wie durch das Licht auf der Tunisreise. Die Kunst lebt vom Austausch und von denen, die Kunst so lieben.

Nadja Naumann lebt und arbeitet als freie Journalistin in Mitteldeutschland.

Kosmos Klee. Die Sammlung
FOKUS: Klees Engel
7.10.2023 – 21.1.2024
Zentrum Paul Klee
Monument im Fruchtland 3
CH-3006 Bern
Tel.: +41-31-3590101
Di – So 10 – 17 Uhr
Eintritt: 20 CHF, erm. 7 – 18 CHF
www.zpk.org

Text: Nadja Naumann
Bild: Zentrum Paul Klee
Erstveröffentlichung in kunst:art 93