Skulpturen zum Klimawandel 

17.12.2023 – 10.3.2024 I Kunsthalle Rostock

Porträt Anna Bogouchevskaia, 2022

Anna Bogouchevskaia-Retrospektive in der Kunsthalle Rostock

Die Klimakonferenz forderte zuletzt, die Umsetzung des Pariser Abkommens voranzutreiben: den globalen Temperaturanstieg möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, während Meeresbewohner massiv unter dem Klimawandel leiden. Besonders den Nordpazifik-Grauwalen machen die erwärmten Gewässer zu schaffen, und das führt zum Massensterben – künftiges Ausstellungsthema von Anna Bogouchevskaia, dem sie mit Großskulpturen der untergehenden Spezies Wal begegnet.

Derzeit präsentiert die Kunsthalle Rostock die Bildhauerin mit ihrem Werk aus vier Dekaden mit den unterschiedlichen Aspekten des Klimawandels und den von Menschen gemachten zerstörerischen Eingriffen in die Natur. Hierzu zählen ebenso die „Fallen Falls“ – gefallenen Fälle –, mit denen Bogouchevskaia in der gleichnamigen Retrospektive weltweit den vom Verschwinden bedrohten Wasserfällen ein skulpturales Denkmal setzt.  

Gleich am Anfang verweisen die Ausstellungsmacher auf den thematischen Ursprung im Werk der Urenkelin von Karl Marx mit ihrer Hut-Bronze „The beginning“ als Verweis auf den Beginn der Globalisierung und Geldwirtschaft. Grundlage in der Recherche der Künstlerin war dabei das Biberfell, das den Hut im Gemälde „Der Soldat und das lachende Mädchen“ von Jan Vermeer aus dem Jahr 1657 so einzigartig machte und dessen zunehmende Verwendung für Repräsentationszwecke schon bald zur Ausrottung des Bibers in Europa führte. Dafür ließ Bogouchevskaia den Hut bei einem traditionsreichen Hutmacher in Amsterdam auf Grundlage des Gemäldes von Vermeer rekonstruieren, um ihn anschließend in Bronze zu gießen.

Von Vermeers Heimatstadt Delft über Amsterdam nach New York und Québec: Um sich weiterhin Biberfelle für einen Hut dieser Größe sichern zu können, entstand eine neue Wirtschaftskette zwischen den Kontinenten, an der Hutmacher, Händler und Trapper beteiligt waren. Die unvermindert hohe Nachfrage machte das Geschäft mit Biberfellen im Goldenen Zeitalter der Niederlande lukrativ. Und so riefen niederländische Kaufleute die erste Beteiligungsgesellschaft für Kapital ins Leben, um das Unterfangen für die Biberfelle zu finanzieren. Hieraus entstand die weltweit erste Aktiengesellschaft und damit bei gleichzeitiger erstmaliger Einführung von „Aktien“ der Finanzmarkt mit der heute ältesten Finanzbörse der Welt in Amsterdam. Das Geschäft des Import und Export mit seiner Logistik war geboren und damit der institutionelle Außenhandel mit den bis heute andauernden Herausforderungen für Mensch und Umwelt.

„Die Künstlerin zeigt uns, wo wir gerade stehen. Wir stecken bereits in der Apokalypse, ohne es zu bemerken“, so Uwe Neumann, Direktor der Kunsthalle.  Umso mehr lohnt ein Gang durch die sechs Ausstellungsräume, um anhand bedeutender Themen das Gesamtwerk der Künstlerin kennenzulernen. Hierzu zählt ihr von Chagall beeinflusstes Frühwerk, so auch ihre Beschäftigung mit den Aggregatzuständen der schwindenden Ressource Wasser. Es ist der andere Blick, den ihr skulpturales Werk prägt und zum mahnenden Zeigefinger für die Ostsee-Region wird. Sehr empfehlenswert.

Maria del Mar Strenger-González ist Kunsthistorikerin und lebt und arbeitet in Wien. Für verschiedene deutschsprachige Medien bespricht sie regelmäßig Ausstellungen der zeitgenössischen Kunst.    

Anna Bogouchevskaia. Fallen Falls
17.12.2023 – 10.3.2024
Kunsthalle Rostock
Hamburger Str. 40
D-18069 Rostock
Tel.: +49-381-3817008
Di – So 11 – 18 Uhr
Eintritt: 6 €, erm. 4 €
www.kunsthallerostock.de

Text: Maria del Mar Strenger-González
Bild: Kunsthalle Rostock
Erstveröffentlichung in kunst:art 95

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