Anna Uddenberg in der Kunsthalle Mannheim

29.09.2023 - 21.04.2024 | Kunsthalle Mannheim

Anna Uddenberg: Premium Economy; Installationsansicht Kunsthalle Mannheim, 2023

Kontorsionen

Zwei spannende Ausstellungen in der Kunsthalle Tübingen scheinen schon 2018 und 2020 den skulpturalen Bereich nachhaltig beeinflusst zu haben: Die eine hieß „Almost Alice. Hyperrrealistische Skulptur in der Kunst“ und die andere „Supernatural. Skulpturale Visionen des Körperlichen“. Der gemeinsame Nenner, der im Hintergrund die meisten Arbeiten begleitete, waren die neuen Technologien, die durch die digitale Nutzung verschiedener Steuerungselemente die Beherrschung der Natur auf mannigfaltige Art simulieren (dazu gehören beispielsweise auch die Arbeiten des Mailänder Künstlers Dario Ghibaudo mit seinem „Museo di Storia Innaturale“). Die schwedische Künstlerin Anna Uddenberg, die an dieser zweiten Ausstellung in Tübingen teilnahm, schafft Werke, die in eine ähnliche Richtung gehen. Dabei bedient sie sich nicht nur der imaginären Elemente der Robotik, die zur Steuerung verschiedener skulpturaler Arbeiten notwendig sind, sondern auch einer besonderen Printtechnologie, die die zweidimensionale Modellierung im 3D-Drucker direkt dreidimensional umsetzen kann.

Prinzipiell geht es ihr aber nicht darum, eine neue technologische Art zu entwickeln, sondern ausschließlich eine Vorrichtung zu entwerfen, die den weiblichen (oder männlichen) Körper dazu drängt, eine ungewöhnliche Pose einzunehmen. Dabei will Anna Uddenberg den menschlichen Körper nicht nur „ummodulieren“, sondern auch Artefakte schaffen, die durch ihre besondere Konstruktionsweise den menschlichen Körper in ungewöhnliche Positionen zwingen, wobei die Fragen von Körperlichkeit, Geschlecht und ein eventueller Rollentausch (maskulin versus feminin) ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Neben der Positionierung des Körpers in diesen etwas skurrilen Konstruktionen verweist Uddenberg auf die verschiedenen Modeerscheinungen in der Raummöblierung, wobei hier eindeutig der blau-weiße Ton dominiert. Es bleibt jedem überlassen zu entscheiden, inwiefern diese „Möbel“ auch anziehend und ästhetisch wirken; ihre Funktion besteht primär daraus, den menschlichen Körper in oft sehr anstrengende Posen zu zwingen.

Die Mannheimer Kunsthalle vergibt zusammen mit den Hector-Stiftungen alle drei Jahre den Hector Preis, der mit einer Ausstellung in der Mannheimer Kunsthalle verbunden ist. 2022 ging er an Anna Uddenberg. Die in Berlin und Stockholm lebende Künstlerin zeigt nun in Mannheim eine neue Serie von ihren seltsamen Vorrichtungen, die den menschlichen Körper erneut in ungewöhnlichen Posen zeigen.

Für diese Ausstellung in der Kunsthalle hat die Künstlerin eine Serie von neuen Objekten geschaffen, die deutlicher als vorher ihr Anliegen dokumentieren, die mit genauer Konnotation entworfenen Objekte zu präsentieren und dabei an ausgewählten Tagen von verschiedenen Protagonisten, die die jeweiligen und bis dato nur in ihrer Vorstellungskraft existierenden Rollenverteilungen in situ ausführen zu lassen. Wie bei Marcel Duchamp wird das Artefakt am Ende eine ganz andere als die vorgesehene Rolle spielen.

Dr. Milan Chlumsky promovierte an der Pariser Sorbonne über Ästhetik und den tschechischen Poetismus.

Anna Uddenberg — Premium Economy
bis zum 21.4.2024
Kunsthalle Mannheim
Friedrichsplatz 4
D-68165 Mannheim
Tel.: +49-621-2936423
Di – So 10 – 18 Uhr, Mi 10 – 20 Uhr
Eintritt: 12 €, erm. 10 €
www.kuma.art

Text: Dr. Milan Chlumsky
Bild: Kunsthalle Mannheim
Erstveröffentlichung in kunst:art 95