
Aus der Enge der DDR in die künstlerische
Die in Crossen an der Mulde geborene Künstlerin Christine Schlegel (* 1950) wurde von 1973 bis zur Ausreise 1985 aus der DDR von der Stasi überwacht. 1996 sah sie diese Akten ein. Eine Zeit, die die heute in Dresden lebende Künstlerin auch in ihrem Schaffen beeinflusste.
Die Ausstellung im Dieselkraftwerk Cottbus konzentriert sich auf die großformatigen Gemälde von Christine Schlegel, die aus der Sammlung des Brandenburgischen Landesmuseums für moderne Kunst stammen. Arbeiten, die meist im letzten Jahrzehnt der DDR und im ersten Jahrzehnt nach der Wende entstanden, werden den Werken aus der Sammlung ergänzend zur Seite gestellt. Collagen und Filme aus den frühen 1980er-Jahren und aktuelle Werke runden die Einzelausstellung ab und zeigen zugleich den Lebensweg der Künstlerin auf.
Einen Studienplatz für Malerei an der Hochschule der Bildenden Künste (HfBK) in Dresden zu bekommen, war zu DDR-Zeiten wie ein Sechser im Lotto. Der Andrang war groß und die Zahl der Studienplätze gering. Christine Schlegel absolvierte zuerst eine dreijährige Lehre als Dekorateurin, Plakat- und Schriftmalerin. Von 1969 bis 1973 besuchte sie ein Abendstudium an der HfBK. 1973 begann sie mit dem Hochschulstudium. Normalerweise brauchte man für ein Studium das Abitur, an den Kunsthochschulen war das jedoch nicht zwingend erforderlich. 1972 beschloss das Poltibüro der DDR die Verstaatlichung aller noch existierenden Privatunternehmen. Ab da wurde der dogmatische Einfluss des Staates auf die Bevölkerung zwingend und zunehmend erdrückend. Zu malen, wie vom Staat gewünscht, das war für Christine Schlegel, wie einem Vogel die Flügel zu stutzen. Eine wichtige Rolle im künstlerischen Schaffen spielt bis heute ihre 1971 geborene Tochter Antonia.
1978 schloss Christine Schlegel das Studium der Malerei ab und arbeitete fortan bis zu ihrem Umzug 1984 nach Ost-Berlin freischaffend in Dresden und Oberseiffenbach. 1986 reiste sie nach Amsterdam aus und ging dann nach West-Berlin. Dem Westen gegenüber blieb die Künstlerin kritisch und sich selbst bis heute treu.
Der geschärfte Blick ist in den Werken spürbar, aber der Humor kommt hier nicht zu kurz. Die hohe Qualität der Gemälde begeistert und zeugt von einem Können, das die hervorragende Ausbildung der Künstlerin unterstreicht. Hier wird kein Strich unüberlegt gesetzt, wird nichts dem Zufall überlassen. In den Bildern lässt sich der starke Charakter und die Haltung der Künstlerin ablesen. In der DDR war man zwar eingesperrt, aber einer Frau standen beruflich dieselben Wege offen wie einem Mann.
Das künstlerische Gesamtwerk ist bei Christine Schlegel breit gefächert und spannend. Sie setzt sich konkret mit dem eigenen Erlebten auseinander und arbeitet es auf, wie das die Seele belastende Lesen der eigenen Stasiakten. In den Collagen und Fotos aus den 1980er-Jahren erfährt man viel über das berufliche und private Umfeld der Künstlerin in jener Zeit. Ebenso über das Leben in der DDR, das wie in einer Parabel zugleich den schleichenden Verfall eines maroden Systems aufzeigt.
Nadja Naumann ist in der Welt der Kunst, der Pferde und des Films zuhause.
Christine Schlegel. Lärmende Stille
bis zum 16.2.2025
Brandenburgisches Landesmuseum
Dieselkraftwerk
Uferstr./Am Amtsteich 15
D-03046 Cottbus
Tel.: +49-355-49494040
Di – So 11 – 19 Uhr
Eintritt: 4 €, erm. 3 €
www.blmk.de
Text: Nadja Naumann
Bild: Brandenburgisches Landesmuseum
Erstveröffentlichung in kunst:art 101