
Raum und Räume neu definiert
Enger verwoben können Werk, Künstler und Ort kaum sein: Gregor Schneider, rheinischer Künstler, der kein Architekt ist, aber mit Architektur als Mittel arbeitet, erschafft für das Krefelder Haus Esters, eine einst von Mies van der Rohe erbaute Industriellenvilla und heute Teil der Krefelder Museen, ein Projekt, das sich ganz um Schneiders Thema des umbauten Raumes dreht. Am bekanntesten ist er wohl für seinen Beitrag zur Biennale in Venedig, für die der damals erst Anfang Dreißigjährige mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde. „Totes Haus u r“ hieß das Projekt, das Schneider in den Deutschen Pavillon baute. Damit nahm er nicht nur Bezug auf sein Hauptwerk „Haus u r“ in Mönchengladbach, er nahm Teile des Hauses einfach mit nach Venedig.
Der Beziehung von Raum, umbautem Raum zumal, und Ort gewann er so eine neue Qualität ab. Dieser Raum ist in Schneiders Arbeit auch ein metaphorischer Blick in das Innere des Betrachters und des Schaffenden. Der ist im Falle des Deutschen Pavillon in den Giardini besonders erschreckend, handelt es sich hier doch um einen vieldiskutierten Nazi-Bau, dem zwar ein von Daniele Donghi 1909 erschaffenes Gebäude zugrunde liegt, der aber 1938 ganz im Sinne der damaligen Machthaber in Deutschland umgestaltet wurde und bis heute den ausgewählten Biennale-Künstlern Gelegenheit gibt, sich am Bau und seiner Geschichte abzuarbeiten. In dieses Gebäude also hatte Gregor Schneider neue Räume einbeschrieben, geschaffen aus Material, das er seinem ursprünglichen „Haus u r“ am heimischen Niederrhein entnommen hatte. Das wiederum ist Bühne und Material für Schneiders architektonische Installationskunst.
In die Räume eines vorhandenen Hauses baute er weitere Räume ein, in denen sich das ursprüngliche Haus nicht mehr wahrnehmen ließ. Ein sich durch Umbauten und dynamische Elemente ständig veränderndes System aus Architektur in einer vorhandenen Architektur ist entstanden, eine neue Welt im Inneren einer vorgefundenen. Dieses vorgefundene Haus aus der Gründerzeit befindet sich in der Unterheydener Straße (daher das u) in Rheydt (daher das r), einem Ortsteil von Mönchengladbach. Diese eigene, sich stets entwickelnde und wandelnde Welt innerhalb der vorgegebenen Außenwelt lässt sich als Sinnbild eines Bewusstseins in der Welt lesen, das Gregor Schneider hier anschaulich gemacht hat.
Im unweit von Mönchengladbach gelegenen Krefeld hat der Künstler nun ein weiteres Haus vorgefunden, das Kunstmuseum Krefeld stellt ihm mit dem Haus Esters eines zur Verfügung. Die zweite Begegnung Schneiders mit dieser Adresse. 1994, also lange vor seinem preisgekrönten Biennale-Beitrag, hatte er hier seine Arbeiten ausgestellt. Im Jahre 2000, kurz vor Venedig, hat er sich mit dem Gartenhaus der Villa auseinandergesetzt und es für seine Installation ur36 HARDCORE genutzt. 2025 kommt er zurück, diesmal in das Haupthaus. Damit schaffte er hier zum 70. Geburtstag der Museumsfunktion, die dem van der Rohe-Bau nach dem Zweiten Weltkrieg gegeben wurde, eine neue Verbindung zwischen frei erschaffener Kunst und der „wirklichen“ Welt um sie herum.
Christian Hofmann lebt und arbeitet im Rheinland.
Gregor Schneider
4.5. – 21.9.2025
Kunstmuseen Krefeld
Haus Esters
Wilhelmshofallee 91–97
47800 Krefeld
+49 2151 975580
Di – So 11 – 17 Uhr, Fr + Sa 11 – 18 Uhr
Eintritt: 8 €, erm. 4 €
www.kunstmuseenkrefeld.de