Was sehen wir beim Sehen?
Die Möglichkeiten, bei der Darstellung des Sichtbaren – Räume oder Menschen – mehr als nur die Oberfläche zu zeigen, loten die Künstlerinnen Tina Berning und Anna Krammig seit Längerem schon aus in ihrem Werk. Den derzeitigen Stand der Untersuchung präsentieren sie in ihrer aktuellen Doppelschau in den Räumen der Münchner Galerie Andreas Binder. In den lichten Ausstellungsräumen unweit des Maxmonuments sind beide schon wiederholt zu Gast gewesen; die Zusammenstellung nun aber ist neu. Durch „This Time I See It“ zieht sich zwar wie ein roter Faden die immer wieder auftauchende Fragestellung nach der Verlässlichkeit der Bilder, der jeweilige Bezug auf die Realität aber stellt sich doch recht unterschiedlich dar.
Anna Krammig (* 1982), Schülerin der altgedienten Realisten Peter Nagel und Karin Kneffel, hat in ihrer Malerei eine Bildstrategie entwickelt, in der das eigentlich den Blick Anziehende die Wahrnehmung trickreich verweigert: Eine Außenwelt wirft unbestimmte Schatten auf Wände, vereiste Fensterscheiben weisen Betrachter auf sich selbst zurück. So wie wir hier ausgesperrt (oder doch eigentlich eingesperrt) sind, so steht auch bei den Papierarbeiten von Tina Berning (* 1969) die medial und traditionell vorgeformte Ästhetik der unbefangenen Wahrnehmung im Weg: Die zumeist anmutigen weiblichen Figuren bleiben bruchstückhaft, ihre Gestalt wird stets überlagert durch die vorgegebenen Strukturen der verwendeten gefundenen Papiere.
Tina Berning & Anna Krammig. This Time I See It
5.6. – 31.7.2025
Galerie Andreas Binder
Knöbelstr. 27
D-80538 München
Tel.: +49-89-21939250
Di – Fr 11 – 18 Uhr, Sa 11 – 15 Uhr
Eintritt frei
www.galerieandreasbinder.de
Text: Dieter Begemann
Bild: Galerie Andreas Binder
Erstveröffentlichung in kunst:art 103
