Per Kirkeby. Werke aus dem Louisiana Museum of Modern Art

7.2. – 5.6.2016

Kein Zweifel, Per Kirkeby gehört zu den markantesten Künstlerpersönlichkeiten unserer Zeit. Dabei ist umso erstaunlicher, dass er seinen weltweiten Ruhm keineswegs Attitüden und medienwirksam kultivierten Exzentrizitäten verdankt, ganz im Gegenteil: Er wirkt angenehm unprätentiös und persönlich bescheiden. Für nachhaltigen Eindruck sorgt vielmehr seine Beharrlichkeit, seine Innovationskraft. Diese Qualitäten, könnte man denken, teilt er mit Paula Modersohn-Becker; jedenfalls schlägt das ihr gewidmete Personalmuseum in Bremen diese Brücke über hundert Jahre, indem es Per Kirkeby in diesem Frühjahr eine große Schau ausrichtet. Ein Bindeglied zwischen der Malerin, die so viel mehr als nur Worpswederin war, und dem modernen Multimedialisten ist dabei wohl der Schöpfer des Hauses in der Böttcherstraße, Bernhard Hoetger, der, ebenso wie heute der Däne, in den expressionistischen Jahrzehnten auf vielen Feldern der Gestaltung unterwegs war.

Viele Schritte – man könnte sie durchaus auch als Brüche wahrnehmen – markieren den Weg Per Kirkebys. Denn der 1938 in Kopenhagen geborene Künstler studierte zunächst Geologie, erst dann wandte er sich der Kunst zu, was in den frühen 60ern Installation hieß, Happening und filmische Experimente. Die folgende Phase brachte die Wendung zur Malerei in Form einer erneuten Befragung der Möglichkeiten informeller Praxis. Dieses malerische Werk führt Kirkeby bis in die Gegenwart fort – und unter dem gestischen, emotionalen Pinselschwung scheint dabei immer das Interesse des promovierten Geologen am Schichtenaufbau unserer Welt zu liegen. Die Erde wiederum stellte unmittelbar das Material für den Aufbruch des Künstlers in die dritte Dimension. Im kleinen Format wie im großen, in Plastik und Architektur. Bauten errichtet Kirkeby seit den 80er-Jahren, aus gebranntem Klinker, in dessen Wertschätzung er sich mit Hoetger einig weiß. Interessant das Verhältnis von kleinformatigem Entwurf zu ausgeführter Form: Die Vorfassung ist alles andere als exakte, modellhafte Verkleinerung oder Modell, sondern freiplastisch aus Ton modelliert, von fast organischer Qualität. Dagegen beschreiben Kirkebys Architekturen – unter anderem auch in Bremen – in größter technischer Präzision Kuben, Quader und Bögen. Von baulicher Funktionalität im engeren Sinne freilich kann man kaum sprechen, es scheint sich eher um (manchmal) begehbare Monumentalplastik zu handeln. Und selbst wenn tatsächlich reale Räume resultieren, wie bei den Bauten auf der Kunstinsel Hombroich, so bleibt doch das Beharren auf dem raumplastischen Eigenwert spürbar – ebenso übrigens wie bei den Gebäuden des Bildhauers Erwin Heerich am gleichen Ort!

Das Paula Modersohn-Becker Haus kann also ein spannendes Programm versprechen bei seiner umfassenden Retrospektive auf dieses künstlerische Werk mit seinem immer wieder bewiesenen Mut zu Neuanfängen! Die Ausstellung ist eine Kooperation mit dem Louisiana Museum im dänischen Humlebæk, das seinerseits 2015 eine Schau zu Paula Modersohn-Becker präsentierte.

Text: Dieter Begemann / ka47 | Bild: Courtesy Paula Modersohn-Becker Museum
Externer Link: Paula Modersohn-Becker Museum

Über Dieter Begemann 270 Artikel
Begemanns Blog: Sternschnuppen An dieser Stelle soll es um ästhetische Sternschnuppen gehen und, wie es die Schnuppen so machen, sollen sie hin und her zischen auf manchmal verblüffenden Kursen – kreuz und quer! Ich konnte (und musste zum Glück mich auch nie) entscheiden zwischen praktisch-bildkünstlerischen und theoretischen Interessen: Ich liebe Malerei und Bildhauerei, begeistere mich für Literatur, bin ein Liebhaber von Baukunst und Design –aber meine absolute Leidenschaft gehört der Gestaltung von Gärten und Autos. Und, eh ich’s vergesse: natürlich dem Film!!

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