Der Künstler als Kurator

24.2. – 18.6.2023 | Landesmuseum Hannover

Nicht allzu oft passiert es, dass ein bildender Künstler seine Rolle wechselt und in jene des Kurators schlüpft. So wie aktuell Ugo Rondinone im Musée d’Art et d’Histoire in Genf eine Schau präsentiert, gibt auch der britische Künstler Glenn Brown derzeit sein Debüt als Ausstellungsmacher in Hannover — mit dem großen Unterschied, dass der Brite nicht nur ein Museum, sondern gleich zwei geografisch nahegelegene Häuser bespielt, deren herausragende, aber gänzlich diametrale Sammlungen ihm in seiner Ausstellungskonzeption zu Verfügung standen.

Während sich der artifizielle Bogen der Bestände des Sprengel Museums Hannover vornehmlich von der Klassischen Moderne bis hin zu gegenwärtigen Positionen spannt, konzentriert sich die Sammlung der Landesgalerie auf die Alten und Neuen Meister bis in die 1920er-Jahre. Nicht allein, dass das Spektrum an Werken der Kunstgeschichte reicher kaum sein könnte, flankiert der Künstler die ausgewählten Arbeiten der beiden Sammlungen mit seinen eigenen und eröffnet so einen Diskurs auf mehrfacher Ebene: Zum einen erlaubt es eine Ausstellung wie diese, den Blick oder den Blickwinkel auf die eigene Sammlung zu ändern und die Wahrnehmung, aber auch Diskussionsebenen von historischer und zeitgenössischer Kunst neu zu denken. Zusammenhänge zwischen den zur Verfügung stehenden Werken stellt Brown neu heraus.
Zum anderen hat der Künstler selbst, der nun zum Ausnahmekurator wird, die Möglichkeiten, sein eigenes Tun und künstlerisches Schaffen zu reflektieren, welches bekannt ist für seine kunsthistorischen Reminiszenzen.

Genau dieses Adaptieren von künstlerischen Stilen und Stilmitteln lässt die Werke von Brown ebenso mit den historischen Altmeistern wie mit den Meistern der Moderne zu einer Einheit verschmelzen. Betrachtet man Glenn Browns „The Life Hereafter” von 2011, so assoziiert man unwillkürlich niederländische Maler in der Manier van Goghs, seine Ölarbeit auf Holz „The Real Thing” von 2000 steht einem Francis Bacon nahe und die jüngsten Zeichnungen „Drawing for Wallpaper” aus dem Jahr 2022 und „Drawing 1” von 2023 könnten tatsächlich Domenico Campagnola oder Maarten van Heemskerck höchstpersönlich im 16. Jahrhundert erschaffen haben. Browns Talent für das Nachfühlen von Zeitgeschmack und Zeitgeschehen in seinem doch ganz eigenen Individualstil macht sein Œuvre schon nahezu klassisch — eines, das sich mühelos in die renommierten Häuser auf der ganzen Welt einfinden kann.

Zu Glenn Browns Referenzpunkten gehören auch internationale Größen aus dem Metier der Landschaftsmalerei wie Gabriele Münter, Anthonis van Dyck oder Paula Modersohn-Becker. Für seine Neuinterpretation der beiden Sammlungen wählte Brown zudem Arbeiten von Gustave Courbet, Arnold Böcklin, Ferdinand Hodler und Pablo Picasso und verweist bei diesem Projekt auf Metaebene ex aequo auf die historische wie zeitgenössische Bedeutsamkeit von Kunst.

Dr. Denise Susnja lebt und arbeitet als freie Autorin im Rheinland.

Glenn Brown. The Real Thing
24.2. – 18.6.2023
Landesmuseum Hannover
Willy-Brandt-Allee 5
D-30169 Hannover
Tel.: +49-511-9807686
Di – So 10 – 18 Uhr
Eintritt: 10 €, erm. 8 €
www.landesmuseum-hannover.de

Glenn Brown. The Real Thing
24.2. – 18.6.2023
Sprengel Museum Hannover
Kurt-Schwitters-Platz
D-30169 Hannover
Tel.: +49-511-16843875
Di 10 – 20 Uhr, Mi – So 10 – 18 Uhr
Eintritt: 7 €, erm. 4 €
www.sprengel-museum.de

Text: Dr. Denise Susnja
Bild: Landesmuseum Hannover
Erstveröffentlichung in kunst:art 90