Die Befreiung der Farben

bis zum 7.5.2023 | Zentrum Paul Klee

Fast jeder kennt die fröhlich-farbigen Zeichnungen des katalanischen Künstlers Joan Miró. Farbige Flächen und fantasievolle Geschöpfe mit ihren reduzierten Formen sind ein typisches Merkmal für den Künstler. Eine intensivere Auseinandersetzung mit dem umfangreichen Werk Mirós lohnt sich, denn hinter dem spielerischen Ansatz steckt die dem Surrealismus eigene tiefsinnige philosophisch-psychologische Betrachtungsweise, die der Katalane in seine eigene künstlerische Sprache übersetzt hat.

Dabei war dem 1893 in Barcelona geborenen Miró die Malerei nicht in die Wiege gelegt: Aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammend wurde Miró von seinen Eltern zu einer kaufmännischen Ausbildung gedrängt, parallel zu seiner beruflichen Tätigkeit verlor er jedoch die Kunst nicht aus dem Blick und nahm Unterricht in der Akademie „La llotja“ in Barcelona, in der schon Picassos Vater gelehrt hatte und in der Picasso selbst einmal Schüler gewesen war.

Miró und Picasso waren befreundet, der 15 Jahre ältere Picasso half seinem Landsmann, in Paris Fuß zu fassen, wo er sich ab 1919 immer wieder aufhielt, um an Ausstellungen teilzunehmen oder sich von der künstlerischen Avantgarde inspirieren zu lassen. Insbesondere seine Begeisterung für den Surrealismus brachte ihn von der gegenständlichen, naturalistischen Kunst zur abstrakten Malerei. Dabei ging es ihm um einen tieferen Blick unterhalb der Oberfläche hin zu einer Kunst, die mehr ist als die bloße Abbildung der ihn umgebenden Welt.

Ein Wendepunkt in seinem Schaffen war der Umzug in ein neues, größeres Atelier in Palma de Mallorca im Jahr 1956. Hier beginnt er neue Wege in der Kunst zu beschreiten und neue Ausdrucksformen auszuprobieren. Er entdeckt das Material Keramik, auch fertigt er Druckgrafiken an. Er beginnt seine eigenen älteren Werke zu überarbeiten und kauft auf Flohmärkten klassische Gemälde, die er ebenfalls neu gestaltet. Er bearbeitet Leinwände mit Schere und Feuer und stellt durch das Verbrennen von Bildern den Kunstmarkt infrage.

In der Ausstellung „Neue Horizonte“ im Zentrum Paul Klee werden Arbeiten aus dem Spätwerk Mirós zu sehen sein, die ab Ende der 1960er-Jahre entstanden sind. Mirós Hinwendung zum abstrakten Gemälde geht einher mit Erkenntnissen, die er auf seinen Reisen in die USA und nach Japan gewonnen hat. Ebenso spielen Einflüsse von Zeitgenossen wie Paul Klee ein Rolle, auch wenn die beiden Künstler sich nie begegnet sind. Wesentliche Impulse in der abstrakten Malerei Mirós stammen von dem 14 Jahre älteren Paul Klee. Weitere Gemeinsamkeiten in der Vorgehensweise der beiden Künstler wie die Beschäftigung mit Kinderzeichnungen können sowohl in der spannenden Ausstellung wie auch in einem Katalog entdeckt werden.

Joan Miró. Neue Horizonte
bis zum 7.5.2023
Zentrum Paul Klee
Monument im Fruchtland 3
CH-3006 Bern
Tel.: +41-31-3590101
Di – So 10 – 17 Uhr
Eintritt: 20 CHF, erm. 10 – 18 CHF
www.zpk.org

Text: Karin Gerwens
Bild: Zentrum Paul Klee
Erstveröffentlichung in kunst:art 90