Im Werk von Zaha Hadid verbindet sich also eine hochgradig originelle, ganz persönliche Formsprache – die künstlerische Seite – mit einer extrem anspruchsvollen und hochgradig arbeitsteiligen technischen Umsetzung – die technologisch-logistische Seite. Diese Spannung liegt natürlich grundsätzlich dem Architektenberuf überhaupt zu Grunde, der Architekt ist Künstler und Organisator (neben vielem anderen noch), aber in diesem Falle wurden die beiden Pole doch entschieden weiter als branchenüblich ausgereizt, nach beiden Richtungen…
Das legt die Frage nach den persönlichen Wurzeln dieses Schaffens nahe. Geboren wurde die Architektin, mit vollem Namen: Zaha Mohammad Hadid, 1950 in Bagdad. Die Eltern orientierten sich an einem sehr westlichen Lebensstil, ihr Vater war ein überaus erfolgreicher Unternehmer und Investor, der seinerzeit, in den 1920er Jahren, in London studiert hatte. Er kam dort in Kontakt mit Ideen einer sozial verpflichteten Ökonomie, war Mitgründer der Iraqi Democratic Party, später der Progressive Democratic Party und mehrmals Finanzminister. Der Hang der jungen Zaha zur Gestaltung von Räumen machte sich früh bemerkbar – das Kinderzimmer wurde ihr erster (Selbst-)Auftrag… Nach den Schuljahren in einer katholischen Klosterschule in Bagdad, Internaten in der Schweiz und England, begann sie ein Studium der Architektur an der Amerikanischen Universität in Beirut.
Hier wäre noch zu bemerken, dass in Hadids Kinderjahren die arabischen Länder des Vorderen Orients, für uns heute überwiegend verbunden mit zumeist katastrophalen politischen Nachrichten von Krieg und Gewalt, öfters Schauplatz groß angelegter urbanistischer und architektonischer Visionen waren: So errichtete der Italiener Gio Ponti in den späten 1950ern ein Hochhaus in Bagdad, der Amerikaner Frank Lloyd Wright plante für die Metropole am Tigris eine neues Zentrum, inklusive eines spektakulären Opernhauses. Auch an Le Corbusier, Oscar Niemeyer und Gropius ergingen damals Einladungen. Ökonomisch-politischer Hintergrund all dieser Projekte waren der Ölboom und der Wille zur Modernisierung einer noch weitgehend traditionellen Gesellschaftsstruktur. All diese Vorhaben zerschlugen sich freilich mit dem Sturz der herrschenden Dynastie…
Hadid schloß ihr Studium 1977 in London ab, wo die dortige Architectural Association School (AA) zu einem Zentrum der Suche nach einer „Zweiten Moderne“ geworden war, jenseits der klassischen, noch vom Bauhaus geprägten Konzeption und einem als vordergründig empfundenen Neo-Historismus. Dass die junge Architektin ihr Abschlussarbeit, einen Hotelentwurf an der Themse, Malewich’s Tectonics nannte, verwies auf die Wahlverwandtschaft mit dem russischen Konstruktivismus.
Text: Dieter Begemann
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