Das Kunsthaus Bregenz ist ein eindrucksvolles Beispiel anspruchsvoller zeitgenössischer Baukunst: Die erlesenen Proportionen, die makellos polierten Betonoberflächen des Baus von Peter Zumthor sind schlichtweg perfekt. Genau das war offenbar reizvoller Ansatzpunkt für die in Kroatien geborene Dora Budor. Unter dem Label „Continent“ bricht sie zu einer Entdeckungsreise auf: Zwei Schritte außerhalb der Fassade des Kunsthauses gibt es eine gut verschlossene Luke. Sie führt in einen die Fundamente umgebenden schmalen Gang, den Kollektorgang eben, der umstehende Bauten stabilisiert und mithilfe von in die Tiefe reichenden „Schlitzwänden“ das Versickern von Grundwasser (und eindringendem Wasser des nahen Sees) gewährleistet. Die Wände des für gewöhnliche Sterbliche unzugänglichen Raums mitsamt den daran haftenden Sedimenten und Rückständen der Jahre hat die in New York lebende Künstlerin als Latexabformung in den Ausstellungsräumen der Makellosigkeit der Zumthorschen Oberflächen entgegengestellt: „Kollektorgang I-XXIV“, insgesamt 29 Meter lang.
Budor, die übrigens zunächst einmal selbst Architektur studiert hatte, interessiert sich für das Verborgene, den urbanen (Kon-)Text, den jeder Neubau notwendigerweise überschreibt: Die durch den Bau des Kunsthauses zum Verschwinden gebrachte Brachfläche lässt sie als fotografische Dokumentation wieder erstehen, ins Labyrinth der Rohrleitungen im Inneren versenkt sie Sextoys, deren unermüdliche Aktivität für (gute?) Vibrations sorgt.
Dora Budor. Continent
19.3. – 26.6.2022
Kunsthaus Bregenz
Karl-Tizian-Platz
A-6900 Bregenz
Tel.: +43-5574-48594433
Di – So 10 – 18 Uhr, Do 10 – 20 Uhr
Eintritt: 11 €, erm. 7 – 9 €
www.kunsthaus-bregenz.at
Text: Dieter Begemann
Bild: Kunsthaus Bregenz
Erstveröffentlichung in kunst:art 85