100 Jahre ist die kantonale Kunstsammlung in Bern alt und mit der Zeit wuchs der Bestand auf rund 6.000 Werke von über 1.400 Künstlern an.
Das Spezielle an der Sammlung ist, dass kontinuierlich Arbeiten von Berner Kunstschaffenden angekauft wurden und werden. Das ermöglicht einen Blick auf die Berner Kunstszene über diesen Zeitraum und bewahrt sie für die Zukunft. Die Sammlung umfasst Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafiken, Skulpturen, Fotografien und einige Medienkunstwerke.
Über den Ankauf entscheidet der Kanton Bern, dem eine Empfehlung der kantonalen Kunstkommission vorausgeht. Nicht berücksichtigt werden externe Empfehlungen oder Bewerbungen. Die erworbenen Arbeiten verschwinden nicht in Depots, sondern werden nach Möglichkeit als Leihgaben in Repräsentativ- und Verwaltungsgebäuden im gesamten Kanton vermittelt und somit teilweise öffentlich zugänglich gemacht. Möglich sind auch Werkausleihen an Kunstschaffende oder Ausstellungsinstitutionen, um die Kunstwerke einem breiten Publikum vorstellen zu können. In der Regel ist rund ein Drittel der Sammlung ausgeliehen.
Die Ausstellung „Werte im Wandel“ im Kunsthaus Interlaken wird aufgrund der Fülle von Kunstwerken geteilt. Der erste Teil der Schau widmet sich den Themen Glaube, Gerechtigkeit und Weisheit. Im kommenden Jahr sind es dann Courage, Hoffnung, Mäßigung und Liebe. Die Vielfalt an Stilrichtungen und Techniken geht einher mit unterschiedlichen Inhalten. Das Schaffen der Künstler unterliegt außerdem dem Faktor Zeit, die Kunstwerke spiegeln zugleich einen gesellschaftlichen Wandel wider und sind Zeugnisse ihrer Zeit. Die Beständigkeit im Sammeln macht sich doppelt bezahlt, denn sie erzählt, was die Menschen und die Künstler in 100 Jahren bewegt hat.
In der Sammlung befinden sich Werke unter anderem von Cunot Amiet (1868–1961), der sich als Schweizer der „Brücke“ in Dresden anschloss. Als Vertreter des Schweizer Surrealismus ist Otto Tschumi (1904–1985) zu finden, der zugleich der bekannteste seines Landes dieser Stilrichtung war. Eng verbunden mit ihrer Heimatstadt Bern blieb die Bildhauerin Mariann Grunder (1926–2016) ein Leben lang. Der im thüringischen Altenburg geborene Maler Christian Lindow (1945–1990) verließ 1961 die DDR und kam über den Künstler Herbert Distel nach Bern, wo er sich Ende der 1960er-Jahre niederließ. Eine reizvolle und ungewöhnliche Position seiner Zeit vertrat Ricco Wassmer (1915–1972), in dessen Bildern schlanke Jünglinge in verschiedenen Arrangements im Mittelpunkt standen.
Zu den Ankäufen der Gegenwart gehören Arbeiten der Performance- und Objektkünstlerin Pamela Rosenkranz, der Fotografin Claudia Dettmar oder des Malers Wolfgang Zät. Die Ästhetik der Sammlung erlaubt es, Kunst in ihrer gesamten Bandbreite bezogen auf den Wirkungskreis Bern zu zeigen, die über die Ländergrenzen hinweg Kunstfreunde begeistert. Sie zeigt, wie viel Freude Kunst bereiten kann, wenn sie nicht in Depots landet, sondern die öffentliche Aufmerksamkeit erreicht.
Für die Autorin ist das Werk von Ricco Wassmer eine Entdeckung, der seiner Zeit weit voraus war.
Werte im Wandel
Kunstsammlung Bern zu Gast im Kunsthaus Interlaken
3.6. – 27.8.2023
Kunsthaus Interlaken
Jungfraustr. 55
CH-3800 Interlaken
Tel.: +41-33-8221661
Mi – Sa 14 – 17 Uhr, So 11 – 17 Uhr
Eintritt: 8 CHF, erm. 5 CHF
www.kunsthausinterlaken.ch
Text: Nadja Naumann
Bild: Kunsthaus Interlaken
Erstveröffentlichung in kunst:art 91