Die Musik, und bevorzugt auch die laute, will sagen, die Rock- und Popmusik ist in den letzten fünfzig Jahren aus kaum noch irgendjemandes Alltag wegzudenken: Lebensmittel-Markt, Café oder U-Bahn, der begeisterte (oder auch genervte) Zeitgenosse kann dem Dauergetöne nicht entgehen: Der Rhythmus, wo ich immer mitmuss, textete einst ein etwas zynischer Schlager … Gleich drei aktuelle Ausstellungen spitzen die Ohren: Im Gustav Lübcke Museum im westfälischen Hamm untersucht „Music! Feel the Beat“ die zentrale Rolle der Musik in unserem Leben. Woher diese Bedeutung? Ganz einfach, die Musik (jede Musik) bedeutet Rhythmus, Bewegung, sie meint Tanz und Begeisterung – oder Schmerz. Egal ob es leise Schwingungen sind oder ein wilder Tanz, Musik ist unseren Gefühlen immer ganz nah – oder umgekehrt. Unser Song, wie Verliebte sagen, Mendelssohns Hochzeitsmarsch oder finaler Trauergesang, und sei er vom Band, Musik erzeugt Identitäten. Diesen zutiefst persönlichen Aspekt bringt ein zweiter, interaktiver Teil der Ausstellung zum Klingen, der neben musik- und medientechnologischen Exponaten von Besuchern eingereichte Objekte vorstellt.
Zum charakteristischen Lebens-Soundtrack einer heute schon etwas älteren Generation gehörten die Rolling Stones. Die britische Rockband veränderte in den 1960ern die populäre Musikwelt und auch die visuelle Kultur: Man denke nur an ihr bald allgegenwärtiges Zungenlogo oder an das legendäre Cover des Albums „Sticky Fingers“ (1971), entworfen von keinem geringeren als Pop-Meister Warhol, der ins frontale und lebensgroße Abbild einer ansehnlichen männlichen Mitte in enger Jeans einen echten Reißverschluss applizierte. „Unzipped“, na klar, bezieht sich darauf: Das Groninger Kunstmuseum versucht mit dieser üppigen Präsentation, die Band sozusagen zum Greifen nah zu bringen, und hat dafür mehr als 400 Objekte aus dem Besitz der Musiker versammelt. Instrumente, Kostüme, Plakate sowie der Nachbau einer originalen Studiosituation sorgen bei den Fans für „satisfaction“, persönliche Dokumente tun ein Übriges.
Bryan Adams ist nicht nur ein weltberühmter kanadischer Rockmusiker, sondern seit Langem, was weniger bekannt ist, auch leidenschaftlicher Fotograf. Das Günter-Grass-Haus im Verbund der Lübecker Museen ist, ein Vermächtnis seines Namenspatrons, an genau solchen Doppelbegabungen interessiert. „Bryan Adams – Photography“ stellt etwa fünfzig Bilder aus drei Serien vor: „Homeless“, „Wounded – The Legacy of War“ und „Exposed“. Berührend sind die sorgfältig gebauten Schwarzweiß-Fotografien allesamt: Adams ist in der Lage, vertrauensvollen Kontakt auch mit Menschen aufzubauen, die seiner eigenen Lebenssphäre fern stehen, wie die Porträts von Londoner Obdachlosen zeigen oder die vormaliger britischer Soldaten, die im Irak oder Afghanistan Verletzungen erlitten haben. Bei aller ungeschönten Härte bleiben Würde und Menschlichkeit der Dargestellten der bleibende Eindruck. Und, ach so, bei „Exposed“, den Bildern aus der Welt von Mode und Bühne, treffen wir auch Mick Jagger!
Dieter Begemann lebt und arbeitet in Norddeutschland.
The Rolling Stones – Unzipped
bis zum 21.1.2024
Groninger Museum
Museumeiland 1
NL-9711 ME Groningen
Tel.: +31-50-3666555
Di – So 10 – 17 Uhr
Eintritt: 25 €, erm. 10 €
www.groningermuseum.nl
Bryan Adams. Photography
15.10.2023 – 7.1.2024
Günter Grass-Haus
Glockengießerstr. 21
D-23552 Lübeck
Tel.: +49-451-1224230
Täglich 10 – 17 Uhr
Eintritt: 8 €, erm. 4 €
www.grass-haus.de
Music! Feel the Beat
27.10.2023 – 7.7.2024
Gustav-Lübcke-Museum
Neue Bahnhofstr. 9
D-59065 Hamm
Tel.: +49-2381-175714
Di – Sa 10 – 17 Uhr, So 10 – 18 Uhr
Eintritt: 8 €, erm. 4 €
www.museum-hamm.de
Text: Dieter Begemann
Bild: Groninger Museum
Erstveröffentlichung in kunst:art 94