Bühne und Betrachter

26.11.2023 – 3.3.2024 | Kunstmuseum Heidenheim

Es ist eine Bühne, vielleicht auch ein Schaukasten, der einem aus dem Bilderrahmen begegnet. Fragmentarisch zusammengetragene Gedankenschnipsel stehen arrangiert beisammen. Thematisch gehören sie nicht zusammen und dennoch sehen sie gemeinsam gut aus. Die Fragmente wirken wie aus einem Film gefallene Einzelbilder, spannend und doch distanziert, realistisch und doch entrückt.

Benjamin Moravec wurde 1977 in Thiais, einer kleinen Stadt wenige Kilometer von Paris entfernt, geboren. Zuerst hat er von 1998 bis 2001 an der „École nationale des beaux-arts de Lyon“ studiert und seinen Abschluss gemacht. Anschließend ist er mit einem Stipendium an die „Akademie der bildenden Künste Nürnberg“ in die Klasse von Professor Johannes Grützke gegangen, da der Bereich Malerei in Lyon aufgegeben wurde. 2006 hat Moravec dann bei Professor Ralph Fleck als Meisterschüler seinen Master gemacht. Seitdem lebt er in Nürnberg.

Dem Werk geht bei Benjamin Moravec ein strukturierter Prozess voraus: Er nimmt Motive aus dem Internet, löst sie aus ihrem Umfeld und kombiniert sie miteinander. Mit einer Bildbearbeitungssoftware arrangiert er sie bereits am Monitor und druckt sie dann aus. Diese Inszenierung überträgt er dann in Malerei. Bei seinen neueren Arbeiten nimmt er auch eine KI zu Hilfe, um seine Fragmente zusammenzustellen.

Die Inszenierungen Moravecs sind aber nicht nur rein ästhetischer Natur, sondern sie folgen seinem theoretischen Unterbau. Die Werke sind seine persönliche Exegese von Überlegungen zu Platons Höhlengleichnis und zum Theaterbegriff der vierten Wand.

Was ist echt und was ist eine Illusion? Was ist real oder Abbild einer Realität und woran machen wir das fest? Bin ich Bestandteil dessen, was ich sehe, oder nur passiver Konsument? Und lässt sich diese Situation auch auf den Alltag übertragen? Ist auch das Display meines Handys oder meines Computers nur eine Bühne und bin ich der passive Konsument?

Tatsächlich vermeint man in vielen Werken des französischen Künstlers den Ausschnitt einer Szene zu betrachten, die man ohne Zusammenhang nicht versteht. Ein Fragment, vielleicht wie aus einem Traum oder aus einer verblassten Erinnerung.

In Heidenheim werden rund zwanzig Gemälde von Benjamin Moravec gezeigt. Nach einer Ausstellung 2020 in der „Kunst Galerie Fürth“ und 2022 im Nürnberger „Galerie Haus Nord“ ist es nun seine dritte institutionelle Ausstellung in Deutschland. In Belgien wird Moravec von der Galerie Keteleer vertreten, die auch auf der „Art Cologne“ ausstellt.

Benjamin Moravec. Die Ränder der Fiktion
26.11.2023 – 3.3.2024
Kunstmuseum Heidenheim
Marienstr. 4
D-89518 Heidenheim
Tel.: +49-7321-3274814
Di 11 – 17 Uhr, Mi 13 – 19 Uhr, Do – So 11 – 17 Uhr
Eintritt: 5 €, erm. 3 €
www.kunstmuseum-heidenheim.de

Text: Mathias Fritzsche
Bild: Kunstmuseum Heidenheim
Erstveröffentlichung in kunst:art 94

Über Mathias Fritzsche 117 Artikel
Ein Thema jagt das nächste: Der Wochengipfel hält ein oder zwei Themen fest und bringt sie in Erinnerung. Was war vergangene Woche so wichtig, dass man Schnappatmung bekam und ist diese Woche dennoch schon vergessen? Oder über welche Nachricht hat man sich so gefreut, dass man auf den Balkon ging und die Nachricht für die ganze Welt in den Abendhimmel geschrien hat?