Kann das weg, auch wenn es Kunst ist?

Dana Lürken, Schneckengarten, 2023am Bavariaplatz vor dem Verkehrsmuseum in München 24.01.2023 Foto: Tobias Hase / LHM

Während anderswo überlegt wird, ob man das eine oder andere Denkmal niederreißen solle, da der Geehrte eine zweifelhafte Vita hat, geht man in München schon seit einigen Jahren einen anderen Weg. Kunst im öffentlichen Raum, aber diese befristet auf eine feste Zeitspanne, könnte zukünftigen Generationen viele Debatten ersparen. Gleichzeitig wird der Umstand genutzt, dass das Neue auffällt, das Alte hingegen immer mehr als gegeben und gewohnt kaum mehr Beachtung findet.

Im Rahmen der „Annuale“ finden seit 2021 jährlich verschiedene Projekte statt. Dieses Jahr ging es um „Freiräume“, welche unterschiedlich definiert werden. So gibt es sechs Projekte, von denen sich mehrere mit Skulpturen oder Gebäuden beschäftigen, die auf verschiedene Art und Weise wieder mit Leben gefüllt werden sollen. Etwa ein neu angelegter Garten rund um eine etwas vernachlässigte Schneckenskulptur von 2007 (Dana Lürken, Schneckengarten, 2023) oder, was noch nicht umgesetzt wurde, der Versuch, eine große Stierskulptur, die unscheinbar in einem umzäunten Areal steht, temporär umzusiedeln (Jörg Koopmann, Alles hat seinen Ursprung und sein Wachstum …, 2023). Allen gemein ist, dass ein „blinder Fleck“ der Stadt in den Mittelpunkt gestellt wird, auf dass er von den Menschen in München wieder wahrgenommen werde, zumindest zeitweise.

Nach fast vier Jahren endet die Zeit für die „Bavaria“ von Alicja Kwade, die seit dem 20. März 2020 an der Isar steht. Ein Zitat auf die monumentale Bronzestatue von Ludwig Schwanthaler auf der Theresienwiese, nur viel kleiner, freundlicher, menschlicher und ganz und gar nicht heroisch. Mit der „Bavaria“ von Kwade wurde eine Skulptur vom Sockel geholt, ohne diese physisch auch nur zu berühren. Die Idee der gottähnlichen Figur wird zertrümmert, die alte Skulptur bleibt aber stehen. Mit Beginn des neuen Jahres wird Kwades Skulptur fehlen und somit vielleicht auch denen, die sie schon nicht mehr wahrnahmen, auch wieder in Abwesenheit auffallen.

Weitere Projekte sind bereits in der Planung, auch wenn noch nicht terminiert. So soll beispielsweise an die Männer und Frauen der Roma und Sinti erinnert werden. Ladislava Gažiovás Entwurf einer zweiteiligen Arbeit wurde vom Münchner Stadtrat ausgewählt. Die Arbeit besteht aus einer Fläche am Boden, die aus schwarzen Dreiecken einen großen schwarzen Fleck formiert. Der „schwarze Winkel“ markierte im NS-Regime das vermeintlich „Asoziale“ und „Gemeinschaftsunfähige“. Der schwarze Fleck aus der Summe der Dreiecke soll ein dunkler Fleck in der Geschichte sein. Mit einem mobilen und temporären zu einer Bibliothek und Begegnungsstätte umgebauten Wohnanhänger soll die Stadtbevölkerung eingebunden werden. An verschiedenen Orten der Stadt sollen Workshops, Lesungen und andere Aktivitäten stattfinden.

Einige wenige Beispiele, die zeigen, dass Kunst im öffentlichen Raum nicht für die Ewigkeit geschaffen werden muss. Verdient nicht jede Generation ihre eigene Kunst im öffentlichen Raum? Und wie soll das möglich sein, wenn alles auf ewig geplant wäre?

Weitere Informationen zu den Projekten der Kunst im öffentlichen Raum München finden Sie unter: www.publicartmuenchen.de

Über Mathias Fritzsche 117 Artikel
Ein Thema jagt das nächste: Der Wochengipfel hält ein oder zwei Themen fest und bringt sie in Erinnerung. Was war vergangene Woche so wichtig, dass man Schnappatmung bekam und ist diese Woche dennoch schon vergessen? Oder über welche Nachricht hat man sich so gefreut, dass man auf den Balkon ging und die Nachricht für die ganze Welt in den Abendhimmel geschrien hat?