Was zusammengehört!
„Es wächst zusammen, was zusammengehört“, lautet der oftmals zitierte Satz von Willy Brandt zur Wiedervereinigung von West- und Ost-Deutschland. Der Satz resultierte aus einer schwülstigen und leicht nationalistischen Stimmung, die auch den damaligen Vorsitzenden der Sozialistischen Internationalen übermannte. Ganz ähnlich kann man das Œuvre von Nevin Aladağ verstehen. Jedoch ohne Nationalismus oder Vergleichbares, einfach nur mit Menschen. Wenn Menschen zusammenleben, und sei es nur in einer Stadt oder Region, so geben sie alle etwas hinzu. Sie prägen ihre Umwelt und machen sie zu ihrer eigenen. Egal, welche Sprache sie sprechen, ob sie reich oder arm sind und wo sie geboren wurden. Menschen gehören zusammen und sie wachsen zusammen, da sie ihre Umwelt und ihre Mitmenschen prägen!
Nevin Aladağ wurde 1972 in Van in der Türkei geboren, kam aber mit ihren Eltern noch vor ihrem ersten Geburtstag nach Stuttgart. Sie studierte an der Akademie der Bildenden Künste München Bildhauerei bei Professor Olaf Metzel. Zwei Konstanten sind schon früh in ihrem Werk aufzuspüren: Die Arbeit mit Alltagsmaterialien, die sie kauft oder findet, und die Beschäftigung mit Musik und Instrumenten. Darüber hinaus arbeitet sie mit verschiedenen Medien: Neben der Skulptur und der Installation bevorzugt sie Videoarbeiten und Performances, bei denen sie aber in der Regel nicht selbst eingreift.
Für die Ausstellung in Brühl hat Nevin Aladağ neue Arbeiten gefertigt. So hat sie Lampen mit grell farbigen Nylonstrümpfen überzogen und durch die Kombination zweier gebräuchlicher Gegenstände einen neuen Kontext geschaffen („Color Floatings“). Zudem hat sie einen ihrer Teppiche angefertigt, bei dem unterschiedlichste Materialien mit verschiedensten Farben und Mustern aus etlichen Kulturen miteinander verwoben werden und ein neues Ganzes ergeben („Social Fabric, Floating Leaves“). Der Trick ist: It works!
Die Künstlerin Nevin Aladağ schafft es, mit ihren Arbeiten sichtbar zu machen, was eigentlich für jeden sichtbar sein sollte. Unterschiedliche Kulturen, unterschiedliche Menschen können zusammenwachsen, da sie zusammengehören, wenn sie sich nur etwas bemühen.
Vielleicht wird das noch deutlicher mit ihren Klangskulpturen, die unterschiedliche Instrumente in einem Körper vereinen. Es handelt sich dabei meist um Instrumente verschiedener Kulturen, die nicht füreinander geschaffen sind. Wenn erfahrene Musiker sich für eine kurze Zeit die Mühe machen, sich „zusammenzugrooven“, dann entsteht etwas Gemeinsames. Es wächst zusammen, was zusammengehört!
Nevin Aladağ. Interlocking
10.3. – 30.6.2024
Max Ernst Museum
Comesstr. 42 / Max-Ernst-Allee 1
D-50321 Brühl (Rheinland)
Tel.: +49-2232-57930
Di – So 11 – 18 Uhr
Eintritt: 11 €, erm. 7 €
www.maxernstmuseum.lvr.de
Text: Mathias Fritzsche
Bild: Max Ernst Museum
Erstveröffentlichung in kunst:art 96