Rirkrit Tiravanija im Martin-Gropius-Bau

12.9.2024 – 12.1.2025 I Gropius Bau

Rirkrit Tiravanija, untitled 1995 (bon voyage monsieur ackermann), 1995

Der Wert der Migration

Geboren in Buenos Aires, aufgewachsen in Thailand, international ausgebildet und tätig – eine Biografie wie die von Rirkrit Tiravanija ist in der Welt der Kunst nicht ungewöhnlich. Der Blick und die persönliche Bewegung über Staatsgrenzen hinaus werden hier scheinbar mit größerer Selbstverständlichkeit vorausgesetzt als in anderen Gebieten. Aus ihnen ergeben sich die spannendsten Erfahrungen, durch sie wird es möglich, eigene Sichtweisen einer kritischen Prüfung zu unterziehen, aus ihnen ergeben sich nicht zuletzt kreative Lösungen. Tatsächlich ist die Erkenntnis der Notwendigkeit von Migration nur scheinbar ein Privileg der Kunstwelt. Denn auch in der Wirtschaft hat die internationale Bewegung von Akteuren zwischen den Staaten eine ähnlich große Bedeutung, wie nicht nur Arbeitgebervertreter immer wieder betonen. Aus der Bewegung über Grenzen hinweg ergeben sich Chancen für alle Seiten. Dennoch ist sie nicht problemlos oder auch nur allgemein anerkannt, wie ein Blick in unsere Gesellschaftliche Gegenwart und Vergangenheit zeigt. Rainer Werner Fassbinder hat vor einem halben Jahrhundert mit „Angst essen Seele auf“ einen sprechenden Beitrag zu den sozialen Schwierigkeiten geleistet, in dem er einen analytischen Blick auf die Arbeitsmigration der Nachkriegs- und Vorwende-Bundesrepublik geworfen hat. Die Probleme sind ebenso aktuell wie in den 1970er-Jahren und heute sogar noch brennender.

Die Retrospektive von Rirkrit Tiravanija im Berliner Gropius Bau hat daher ein Zitat aus diesem Film als Titel übernommen: Das Glück ist nicht immer lustig. Sprechend auch heute und besonders angesichts der jüngsten Debatten zum Thema Migration. Wie passend ist hier das Thema der Migration, das Tiravanija mit seiner Arbeit seit jeher betrachtet, wie passend der Ansatz, mit dem er ihm begegnet.

Internationale Eigenheiten und Unterschiede werden zusammengebracht, miteinander verglichen, sie reiben sich aneinander, was zu Erkenntnis führt, oft aber auch zu Amüsement. Die Werke aus fast vierzig Jahren zeigen die Bandbreite, damit auch die breite Bedeutung des Themas und der Auseinandersetzung damit. Rirkrit Tiravanija kann sie in besonderer Tiefe anbieten. Studiert hat der in Thailand aufgewachsene gebürtige Argentinier in den USA und Kanada, er lebt und arbeitet in Bangkok, Berlin und New York. Die über achtzig Arbeiten der Ausstellung schuf er unter anderem in Chicago, New York, Köln, Berlin, Mönchengladbach, Zürich und im thailändischen Chiang Mai.

Kunstbetrieb und Ausstellungspraxis sind die eher theoretischen Fachbeiträge aus der Profession eines Künstlers. Themen des Alltags wie etwa unterschiedliche kulinarische Kulturen weiten den Blick auf die Alltagswelt und die praktische Bedeutung der Theorien, die im Kunstraum nur gedacht werden konnten, und fordern das Publikum zur aktiven Teilnahme auf, der bekanntlich besten Art des Lernens, bei der sich niemand belehrt zu fühlen braucht. Ein Angebot, das im besten Fall weit über den Bereich der Kunst hinaus angenommen wird, um die Einsicht in den Wert von Migration in alle sozialen Bereiche zu verbreiten.

Christian Hofmann lebt und arbeitet in Köln und Berlin.

Rirkrit Tiravanija. Das Glück ist nicht immer lustig
12.9.2024 – 12.1.2025
Gropius Bau
Niederkirchnerstr. 7
D-10963 Berlin
Tel.: +49-30-24749888
Mi – Fr 12 – 22 Uhr, Sa + So 11 – 22 Uhr ?????
Eintritt: 9 €, erm. 6 €
www.berlinerfestspiele.de/gropius-bau

Text: Christian Hofmann
Bild: Gropius Bau
Erstveröffentlichung in kunst:art 99