Bewegung im Werk des Bildhauers Ernst Barlach

22.9. – 12.1.2025 | Ernst Barlach Museen Güstrow

Ernst Barlach, Tanzende Alte, 1920

Wenn Bronze tanzt

Barlach und Bewegung, diese Verbindung erscheint zunächst überraschend, strahlen doch die meisten Bronze-Skulpturen von Ernst Barlach eine monumentale Ruhe und einen großen Ernst aus, etwa „Der Bettler“ am Ratzeburger Dom oder seine Figur „Der Schwebende“, ursprünglich für die Gefallenen im Güstrower Dom geschaffen. Dazu kommt eine Schwere, ja zuweilen etwas blockhaft Statisches, wie im Magdeburger Ehrenmal. Barlach war 1906 nach Russland gereist und hatte von dort Eindrücke des Bauerntums und der Volkskunst mitgebracht. Früh hatte sich der 1870 geborene Künstler vorgenommen, in seiner Arbeit die Lebensbedingungen der Menschen zu reflektieren. Auf seinen Skulpturen scheint zuweilen die ganze Last dieser Welt zu liegen. „Der Asket“ oder die „Russische Bettlerin“ wirken geradezu in sich verschlossen.

Doch die Ausstellung in der Ernst Barlach Stiftung zeigt nun, dass es durchaus seine Berechtigung hat, sich auch des Themas der Bewegung in seinem Werk anzunehmen und dem energischen Vorwärtsstürmen, der Ausgelassenheit oder dem eiligem Fliehen nachzuspüren. Immer wieder wurden einzelnen Skulpturen von Barlach bewundert, die vom allzu Statuarischen abwichen, etwa die beiden schönen Werke in der Mannheimer Kunsthalle „Der singende Mann“ von 1928 und „Das Wiedersehen“ aus demselben Jahr – ein Paar, das sich offensichtlich nach längerer Zeit trifft. Bewegung findet sich auch angedeutet in zahlreichen Zeichnungen – etwa bei den Wandersleuten von 1913. Ernst Barlach, der nicht nur als Bildhauer und Grafiker, sondern auch als Dramatiker bekannt war, gelang es in der beeindruckenden Arbeit „Der tanzende Alte“ (1920 – Guss 1951, Ernst Barlach Stiftung, Güstrow) mit wenigen Mitteln: Nur das linke Bein ist gehoben und der Rock etwas nach vorn gezogen – die Andeutung der Bewegung wird beinahe automatisch von dem Betrachter vervollständigt.

So auch bei seiner Skulptur von 1922, über die ein Zeugnis von Barlach vorliegt: Die Erscheinung eines Schäfers aus Mecklenburg soll die Figur „Der Mann mit dem Mantel“ in ihrer strengen Symmetrie und ihrer – bis auf geringe Reste – vollständig durchgeführten Gleich- und Gegenbewegung angeregt haben. Diese geringen Reste aber bringen Leben in die stille Monumentalität der Gesamterscheinung. Etwa siebzig Werke werden in Güstrow im Erdgeschoss des Atelierhauses von Barlach, dessen Kunst im Dritten Reich als entartet galt, ausgestellt. Neben seinen frühen Skulpturen im Jugendstil werden auch seine Vasen gezeigt und selbstverständlich sämtliche zentralen Skulpturen, die zu den Inkunabeln des deutschen Expressionismus zählen. Auch Tanzperformances in Zusammenarbeit mit dem Ernst-Barlach-Theater Güstrow sind geplant, die von der Bewegung seiner Figuren inspiriert sind, mit der „Deutschen Tanzkompanie“ aus Neustrelitz und von der Gruppe „Overhead Project“ aus Köln. Schließlich wird die Ausstellung durch originale Tonaufnahmen des Künstlers und seiner Weggefährten begleitet.

Dr. Milan Chlumsky promovierte an der Pariser Sorbonne über Ästhetik und den tschechischen
Poetismus.

Alles in Bewegung
bis zum 12.1.2025
Ernst Barlach Museen Güstrow
Heidberg 15
D-18273 Barlachstadt Güstrow
Di – So 11 – 16 Uhr
Eintritt: 8 €, erm. 6 €
www.ernst-barlach-stiftung.de

Text: Dr. Milan Chlumsky
Bild: Ernst Barlach Museen Güstrow
Erstveröffentlichung in kunst:art 100