Paul Delvaux in Lüttich

4.10.2024 – 16.3.2025 | La Boverie

Paul Delvaux, La Gare forestiere, 1960

Der schüchterne Revolutionär

Eine große Retrospektive zeigt Werke des belgischen Künstlers Paul Delvaux (1897–1994) anlässlich des 100-jährigen Jubiläums des Surrealismus. Delvaux, der sich selbst stets als Naturalist und nicht als Surrealist bezeichnete, hinterließ einen mannigfaltigen Bilderkosmos, der von zahlreichen Stilen geprägt ist. So imponierten ihm Landschaften und die nächtliche Betriebsamkeit der Eisenbahnarbeiter, Architektur und Szenen der griechischen Mythologie ebenso, wie sich Reminiszenzen an Künstlerkollegen wie Modigliani, Permeke, Ensor und vor allem De Chirico zeigen. Kontrastreich zeigt die Schau im La Boverie, jenem Gebäude, das als letzter Teil der Weltausstellung von 1905 erhalten geblieben ist, anhand von rund 150 Arbeiten und Objekten Delvaux‘ vielfältigen Schaffensweg und seine Inspirationsquellen, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede auszuloten.

Letztlich kreiert Delvaux, der – wie behauptet wird – eine niederhaltende Mutter und Angst vor Frauen hatte, ein unverwechselbares, hermetisches Universum reich an wiederkehrender Symbolik und ikonografischen Elementen: Öllampen, Bahnhöfe, die liegende Venus, hügelige Landschaften im Hintergrund, architektonische Staffagen und die menschliche Figur, welche sich vornehmlich im Topos der nackten Frau in Frontalansicht oder dem bekleideten Mädchen in Rückenansicht offenbart. Trotz oder gerade wegen aller bekannten Konstanten sind Delvaux‘ Werke – zwischen Realismus, Sinnlichkeit und Blasphemie changierend – in ihrer Komposition der Logik trotzend geheimnisvolle Meisterwerke.

Paul Delvaux’ Welten
4.10.2024 – 16.3.2025
La Boverie
Parc de la Boverie
B-4020 Liège
Tel.: +32-4-2385501
Di – So 10 – 18 Uhr
Eintritt: 5 €, erm. 3 €
de.laboverie.com

Text: Dr. Denise Susnja
Bild: La Boverie
Erstveröffentlichung in kunst:art 100