
Heimat ist mehr als ein geografischer Ort
Bauernblumen aus der Heimat hängen neben Orchideen aus der Ferne, Porträts von Menschen aus aller Welt sind neben Menschen aus Emil Noldes Umfeld zu sehen. Ferne und vertraute Landschaften begegnen sich auf Augenhöhe. Was ist hier Heimat und welche Bedeutung hat der Begriff für den Maler? Mit zahlreichen Aquarellen, Ölgemälden und Druckgrafiken wird das Werk des farbgewaltigen Künstlers (1867–1956) nun in Künzelsau in all seinen Facetten dargestellt und somit auch seine ganz persönliche Sicht auf die weite Welt und seine Heimat.
Aber was ist Heimat? Heimat ist mehr als ein geografischer Ort, Heimat ist ein Gefühl. Der Begriff steht für die eigene Identität. Was sagt uns nun der Blick des Künstlers auf die Welt und die vertraute Heimat und welche Bedeutung hat Heimat heute? Die Spurensuche entlang der Werke aus allen Motiv- und Themenwelten Noldes bietet dem Betrachter die Möglichkeit, mit der Landschaft und den Menschen in einen Dialog zu treten und die Bedeutung des Heimatbegriffs zu hinterfragen. Nolde ist zutiefst geprägt durch seine Heimat im deutsch-dänischen Grenzgebiet gewesen, von den weiten, hohen Himmeln, den dahinfliegenden Wolken, der stürmischen See, den leuchten Blumen. Der Maler hat sich dort immer als Bauer gefühlt, aus altem Bauerngeschlecht stammend.
Neben der „Heimat“ im Grenzgebiet spielt aber auch die „Welt“ eine große Rolle in Noldes Werk – und der Schau. Die Wintermonate verbrachten Emil und Ada Nolde in Berlin. Die Stadt ist künstlerisch für Nolde extrem wichtig gewesen. Dort traf er auch andere Künstler, Sammler und Galeristen. Aber er hat nie heimatliche Gefühle für die Großstadt entwickelt. Dies lässt sich aus Zitaten Noldes wie „Berlin sei Ersatz“ oder „die Großstadt zieht einem das Mark aus den Knochen“ ableiten. Auch auf Reisen in andere Länder begeben sich die Noldes immer wieder, um dann wieder nach Norddeutschland, nach Alsen, Utenwarft oder Seebüll zurückzukehren.
Ein großer Ausstellungsteil widmet sich den Porträts von Nolde. Die Südseedarstellungen des Expressionismus wurden seit Langem auf kolonialistische Aspekte und den möglichen rassistischen Charakter der Porträts befragt. Fazit: Nolde hat die Folgen des Kolonialismus auf die indigenen Völker kritisiert, den Kolonialismus an sich aber nicht in Frage gestellt. Den Ausstellungsmachern war es wichtig, in der Präsentation die ganze Spannbreite aufzuzeigen. Nicht nur die Porträts von Menschen aus der Südsee sind zu sehen, sondern auch Bildnisse, die er beispielsweise in Spanien, in Japan, in Russland angefertigt hat. Oder von ihm vertrauten, bekannten Menschen aus seinem direkten Umfeld. Beim Blick auf die Werke kann jeder Betrachter selbst für sich feststellen, ob es Unterschiede in der Darstellung der Menschen, ob es Auf- oder Abwertungen gibt. Die Gegenüberstellungen zeigen, Noldes Erfahrungen bereichern nachhaltig die Sicht auf seine Heimat. So können neue Perspektiven auf sein Werk, gerade auch im Hinblick auf den Sammlungsbestand der Sammlung Würth, eröffnet werden.
Stefan Simon hat Kunstgeschichte und klassische Archäologie studiert und arbeitet als freier Autor und Kurator.
Emil Nolde. Welt und Heimat
7.4. – 28.9.2025
Museum Würth 2
Am Forumsplatz 1
D-74653 Künzelsau
Tel.: +49-7940-152230
Täglich 10 – 18 Uhr
Eintritt frei
www.kunstkultur.wuerth.com