Erstmals konzentriert sich eine Ausstellung des bedeutendsten expressionistischen Malers Ernst Ludwig Kirchner (1880-1938) auf das spannende Thema „Modelle, Akte und Kokotten“. Sie führt den Betrachter von der Welt der Künstlerbohème in Dresden und Berlin bis zum Ausdruckstanz in die Davoser Bergwelt in den 20er-Jahren.
Mit einer beeindruckenden Auswahl von mehr als 100 hochkarätigen Werken aus dem Berliner Brücke Museum, setzt die Stadthalle Balingen die traditionellen großen Sommerausstellungen zur Klassischen Moderne fort. Kirchners expressive, stark farbige Ölgemälde, Aquarelle, Holzschnitte, Lithografien und Radierungen lenken den Blick auf die Welt der Frauen. Mehr als 100 Jahre ist es her, dass er als Initiator der Künstlergemeinschaft Brücke mit einer neuen, flächig-farbigen Malerei, Holzschnitten und dynamischen Zeichnungen die akademische Tradition aus den Angeln hob. Anmutige, erotische Aktdarstellungen zeugen von Kirchners unkonventionellem Lebensstil in der Gemeinschaft mit Modellen und Kollegen – das Gemälde der jungen Marcella im Streifenshirt (Titelbild) gilt als eines der Meisterwerke. Den betont entspannten, natürlichen Akten folgen kurze Zeit später Kirchners legendäre Darstellungen mondäner Kokotten in der schnelllebigen Metropole Berlin.
Die Ausstellung umfasst das gesamte Schaffen des Künstlers von 1905 in Dresden bis zu seinem Freitod in Davos 1938. Einerseits erlaubt sie intime Einblicke in sein Leben und Schaffen. Andererseits zeigt sie den einschneidenden gesellschaftlichen Umbruch in der bewegten Epoche zwischen zwei Weltkriegen. Neben den weiblichen Modellen gehören auch Persönlichkeiten aus Kirchners engstem Umkreis wie der Schriftsteller Alfred Döblin oder der Komponist Otto Klemperer zu seinen Modellen. Einflüsse afrikanischer und ozeanischer Plastiken werden ebenso sichtbar wie die indischer Tanzdarstellungen. Bisher selten zu bewundern war das großformatige Ölbild der tänzerisch anmutenden Badenden von 1911. Thematisch nimmt es den freien Ausdruckstanz vorweg, mit dem berühmte Tänzerinnen der 20er-Jahre um Mary Wigman experimentieren. Sie besuchen Kirchner in seinem Rückzugsort der Bergwelt von Davos. Neben Darstellungen in allen künstlerischen Techniken hält er ihren Nackt-Tanz im Wald nun auch in dem damals jungen Medium der Fotografie fest. Kirchners atmosphärische Originalfotografien sind in der Ausstellung zu sehen. Sie dokumentieren erneut sein zeitgeistiges experimentelles Streben, die Natur des Menschen in aller Tiefe, Anmut und Bewegung festzuhalten.
Ein umfassend bebilderter Katalog zur Ausstellung mit begleitenden Texten und Bildbeschreibungen zeigt, wie Modelle, Akte, Kokotten und Tänzerinnen, ihren Niederschlag in Kirchners Kunstwerken finden.
Der Katalog zur Ausstellung erscheint im Hirmer Verlag (Hrsg.: Magdalena M. Moeller) und ist vor ort im Museumsshop erhältlich. Kuratorin: Prof. Dr. Magdalena M. Moeller, Berlin
Co-Kuratorin und Organisation: Annette Vogel, München
Text: Stadthalle Balingen | Bild: Stadthalle Balingen
Externer Link: Kirchner-Ausstellung in Balingen
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