Kunstsammlung Chemnitz zeigt vier Fotografinnen aus der DDR-Zeit
Eines ist unbestritten, die Frauen in der DDR konnten selbstbestimmt einen Beruf wählen, trotz Familie und Kindern. Sie mussten sich den Männern nicht unterordnen und waren ihnen gleichgestellt. Ging die Ehe in die Brüche, konnte sich eine Frau scheiden lassen, ohne gesellschaftlich schief angesehen zu werden. Wurde man ungewollt schwanger, war eine Abtreibung möglich, ohne dass sich frau dafür rechtfertigen musste. Die Frauen in der DDR waren selbstbewusst. Natürlich mussten die Frauen trotzdem den Haushalt organisieren und dafür gab es den sogenannten Haushaltstag, an dem die Frau nicht zur Arbeit musste. Die Kinder wurden tagsüber im Kindergarten betreut. Diese Freiheit, als Frau einen Beruf ausüben zu können, prägte den Alltag in der DDR. Auch in der Kunst hatten Frauen die Möglichkeit, sich zu entfalten. Dass das sozialistische System die Freiheit seiner Bürger extrem einschränkte, was die Meinungsfreiheit und das Reisen betraf, und sie durch die Stasi überwachen ließ, waren die Schattenseiten.
Die Kunstsammlung Chemnitz stellt jetzt fotografische Positionen von vier Frauen vor, deren Arbeiten in der DDR bis zur Wende 1989 entstanden sind und in der Schau gezeigt werden. Christine Stephan-Brosch hatte sich in den 1960er-Jahren auf das Porträtieren von Künstlern im sächsischen, vor allem im Chemnitzer Raum spezialisiert. Darunter eine Serie des Malers Wilhelm Rudolph (1889–1982), als er 75 Jahre alt war. Der aus der Nähe von Chemnitz stammende Künstler setzte sich intensiv künstlerisch mit der Zerstörung Dresdens 1945 auseinander. In jener Zeit war er der Einzige, der sich dieser Thematik widmete.
Evelyn Krull stammte aus Breslau. In Dresden absolvierte sie eine klassische fotografische Ausbildung und erlernte anschließend bei Altmeister Reinhold Berger die Finessen in der Porträt- und Theaterfotografie. Mit ihrem Mann Dieter Krull führte sie ab 1968 in Dresden ein Studio, das sich auf Werbefotografie spezialisierte. Sie arbeitete nebenbei im eigenen Auftrag und so entstand in den 1980er-Jahren der Zyklus „Körpersprachen“, in dem es um die sexuelle Befreiung ging.
Gerdi Sippel beschäftigte sich mit Arbeitsprozessen in der DDR. In jener Zeit stand die Planerfüllung der Produktion im Vordergrund. In den 1970er-Jahren wurden die letzten noch privaten Betriebe enteignet. Wegen der dringend benötigten Devisen wurden in den volkseigenen Betrieben außerdem Kataloge wie zum Beispiel für Quelle gestaltet.
Die Arbeiten von May Voigt sind geprägt von der Faszination des Lichts, das in der Fotografie alles bestimmt und sich gekonnt einsetzen lässt. Bekannt ist sie für Fotos auf schwarzem Barytpapier, die wie ein Tagebuch ihre Befindlichkeiten dokumentierten. Derart frei in der DDR zu arbeiten, war natürlich weniger erwünscht. Wer von der politischen Linie im Sinne des Sozialismus abwich, dem wurden gern Steine in den Weg gelegt.
Die vier unterschiedlichen künstlerischen Positionen sind spannend und werfen einen Blick zurück in ein Land, das es nicht mehr gibt.
Vier Frauen. Vier Lebensläufe
11.2. – 9.6.2024
Kunstsammlungen Chemnitz
Theaterplatz 1
D-09111 Chemnitz
Tel.: +49-371-4884424
Di + Do – So 11 – 18 Uhr, Mi 14 – 21 Uhr
Eintritt 8 Euro, ermäßigt 5 Euro
www.kunstsammlungen-chemnitz.de
Text: Nadja Naumann
Bild: Kunstsammlungen Chemnitz
Erstveröffentlichung in kunst:art 95