Von dualen Autorenschaften, Zwillingen, Duplikaten und Pendants

15.3. – 5.5.2024 | Neues Museum Nürnberg

Ausstellungsansicht Mehmet und Kazim in Villingen-Schwenningen

Ausstellungen in Villingen-Schwenningen und Nürnberg widmen sich Paaren und Polaritäten

Normalerweise kann man Kunstwerke aufgrund ihrer Handschrift einer einzigen Person zuordnen. Doch wie äußert es sich, wenn zwei Kunstschaffende in einem gemeinsamen Schöpfungsakt eine Arbeit schaffen? In der Städtischen Galerie Villingen-Schwenningen gibt es nun die Antworten auf das Phänomen der dualen Autorenschaften. Zuweilen wird der Besucher Teil des Schöpfungsaktes, wenn er etwa die „Alfombras“ (Teppiche) des Künstlerduos Discoteca Flaming Star betritt. Beim genauen Hinschauen erkennt man Wortfragmente. Die durch das Lesen der geschwungenen Handschrift beabsichtigte Körperbewegung ist von dem Künstlerduo, bestehend aus Cristina Gómez Barrio und Wolfgang Mayer, als Choreografie bewusst gesetzt.

Die an der Graffitiszene orientierten Arbeiten der als Künstlerduo arbeitenden Cousins Mehmet & Kazim stehen dagegen für einen erfrischend-kritischen Umgang mit gesellschaftspolitischen Themen. In der Bilderserie „Melancholia“ des Künstlerduos FORT, Alberta Niemann und Jenny Kropp, wird die traditionelle Gattung der Blumenstillleben aufgegriffen. FORT bearbeiten dabei Leinwandarbeiten von anderen Künstlern und lassen durch Textblasen wie „I will die“ die Blumen ihr Vanitas-Schicksal aussprechen. Die Serie von FORT erscheint so wie ein selbstkritischer Kommentar zur Frage der Autorenschaft. Die Filderbahnfreundemöhringen (FFM), bestehend aus Michelin Kober und Daniel Mijic, richteten in der Galerie einen Studioraum ein, in dem auch Besucher eingeladen werden, mitzumachen. Autorenschaft wird hier als offenes System verstanden. FFM ist auch mit der starken Video-Installation „Same Place Same Time“ dabei. Angelehnt an das authentische Werbevideo der Firma Karatbars, hat das Künstlerduo FFM einen Film mit seiner Tochter gedreht, der den Alltag einer Teenagerin mit den entsprechenden Themen behandelt und so das Genre des Werbefilms ad absurdum führt. Seit zehn Jahren arbeitet das Künstlerduo atelierJAK, Andreas Geisselhardt und Jangyoung Jung, an dem Filmprojekt „Soul Blindness“, in dem der Umgang des fiktiven Protagonisten JAK mit Seelenblindheit thematisiert wird. In der Arbeit, in der eine Abfolge von Kuben aus Epoxidharz auf einer Spule mechanisch abläuft, geht es schließlich um Mehrdeutigkeiten und die Erfahrung von Unsicherheit.

Ortswechsel: Während es in Villingen-Schwenningen um duale Autorenschaften geht, bezieht sich im Neuen Museum Nürnberg das duale Prinzip auf die Ausdrucksformen. Eine eigene Form fand „die Zwei“ im Diptychon, wie es in der am Menschenmaß orientierten, aus gelbem Baumwollstoff genähten Arbeit „Zwei gelbe Säulen“ von Franz Erhard Walther deutlich wird. Ob nun Walthers Säulenformen mehr Paar oder Polarität bedeuten, ob sie nun die Identität oder den Unterschied hervorheben, ist Interpretationssache. So lädt auch das aus der Vogelperspektive aufgenommene vermeintliche Zwillingspaar in der Fotografie von Bernhard Prinz zur näheren Auseinandersetzung ein, genauso wie Gerhard Rühms rätselhafte „Fotomontage mit Sonnenschirm“ und Martin Wöhrls skulpturale Arbeit „Das A & O“. Die Auswahl von Kunstwerken aus der Sammlung des Neuen Museums führt mitten hinein in den Dschungel der Klone, Duplikate und Pendants.

Stefan Simon weiß als Kunsthistoriker, dass es auch immer auf die Perspektive ankommt.

Zwei. Zur Aktualität des Duos
bis zum 28.4.2024
Friedrich-Ebert-Str. 35
D-78054 Villingen-Schwenningen
Tel.: +49-7720-821095
Di – So 13 – 17 Uhr, Do 13 – 20 Uhr
www.villingen-schwenningen.de

Die Zwei. Von Doppel­gängern, Paaren und Zwil­lingen in der Kunst
15.3. – 5.5.2024
Neues Museum Nürnberg
Luitpoldstr. 5
D-90402 Nürnberg
Tel.: +49-911-2402069
Di – So 10 – 18 Uhr, Do 10 – 20 Uhr
Eintritt: 7 €, erm. 6 €
www.nmn.de

Text: Stefan Simon
Bild: Neues Museum Nürnberg
Erstveröffentlichung in kunst:art 96